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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Aktionärsversammlung hatte er dem Doyen der Bank widersprochen, als der die Frage eines kritischen Aktionärs abwimmeln wollte, wieso sich die Bank in Südafrika engagiere, statt sich gegen das Apartheid-Regime zu stellen. » Lassen Sie uns doch auf die Frage antworten«, hatte er gesagt und erklärt, dass wirtschaftliche Sanktionen der Bevölkerung nichts brächten. » Bei einem Engagement der Bank haben wir viel eher die Möglichkeit, vor Ort Einfluss zu nehmen.«
    Auch auf die Kritik, die Deutsche Aufbau bereichere sich an den Ländern der Dritten Welt, indem sie von deren Zinsrückzahlungen einen großen Teil ihres Umsatzes bestreite, war Julius Turnseck mit dem überraschenden Vorschlag eingegangen: » Wenn Sie, meine Damen und Herren, die Entscheidung mittragen und auf einen Teil Ihres Gewinns verzichten wollen, können wir gern über die Reduzierung des Zinssatzes für diese Länder diskutieren.«
    Daraufhin war ein riesiger Tumult im Saal ausgebrochen; sichtlich erzürnt hatte der Vorstandssprecher Ernst Lowitz auf Julius Turnseck eingeredet, der fast, wie es schien, ein wenig amüsiert die Reaktion auf seinen Vorschlag verfolgt hatte.
    » Unsere Bank«, so hatte er erläutert, » hat Rücklagen gebildet, um eine geringere Rückzahlung der Schulden durchaus auffangen zu können. Wir waren uns von Anbeginn des Risikos bewusst, das mit einer Kreditgewährung an politisch und wirtschaftlich gefährdete Länder einhergeht. Es ist also an Ihnen, für eine entsprechende Option zu stimmen.«
    Diese Rede hatte Jonathan Kepler beeindruckt. Seitdem wünschte er sich, ein Interview mit Turnseck zu machen.
    Man trank noch ein Bier zum Abschied; am Samstagmorgen gab es die erste Pressekonferenz, gefolgt von vielen anderen, zeitlich genau aufeinander abgestimmten Veranstaltungen der internationalen Banken, deren üppige, exotische Büfetts sehr gefragt waren. » Man schämt sich ja fast«, sagte Carsten Willms, » damit kannst du ganze Dörfer wochenlang durchbringen.«
    Die wichtigsten Pressekonferenzen wurden morgens um sieben abgehalten, damit die europäischen Journalisten bis elf Uhr die Artikel an ihre Redaktionen faxen konnten, die sie dann wegen der Zeitverschiebung gerade noch rechtzeitig zum Druck geben konnten. Der tag ließ in Hannover drucken, der Redaktionsschluss war also noch früher.
    Der nächste Tag begann schön, nicht so drückend schwül. Jonathan Kepler genoss die Atmosphäre der Stadt am frühen Morgen. Er traf Carsten Willms an der Union Station, und sie fuhren mit dem Taxi zur Konferenz. » Damit du was von der Stadt siehst«, sagte Carsten Willms und zeigte ihm die Georgetown University, das Weiße Haus, das Lincoln Memorial. Jonathan Kepler schaute aus dem Fenster. Sie überlegten, wie sie Julius Turnseck zu einem Interview bewegen könnten. Die Bank bot in der Philipp’s Gallery eine Sonderführung an, in den Sälen der französischen Impressionisten.
    » Vielleicht kann man ihn dort einfach ansprechen?«, fragte Jonathan Kepler.
    » Das schaffen wir nie«, schüttelte Carsten Willms den Kopf, » der ist so minutengenau eingetaktet, der redet, wenn’s hoch kommt, mit dem Time Magazine.«
    Vor dem Gebäude der Weltbank saßen ein paar militante Umweltschützer mit Transparenten . » US out of Bolivia«, skandierte eine Gruppe, eine andere rief: » German Nazi Bank out of South America«. Einige der Aktivisten, überwiegend junge Menschen in Jeans und T-Shirts, wurden gerade von Polizisten festgenommen. Die Polizisten banden ihre Hände mit einer Art Schnur auf dem Rücken zusammen, die aussah wie eine dicke Wäscheleine.
    » Sieh mal«, sagte Jonathan Kepler, » wie albern.«
    Vor dem Gebäude der Weltbank begrüßte ein Pressemitarbeiter der Deutschen Aufbau Carsten Willms per Handschlag.
    » Das ist Lutz Meißner«, sagte er, » und das Jonathan Kepler, vom tag.«
    Lutz Meißner zeigte mit dem Kinn in Richtung der Aktivisten, die jetzt von Polizisten fortgetragen wurden. » Unverbesserlich«, sagte er.
    » Da wird Sie nächstes Jahr in Berlin aber was ganz anderes erwarten«, sagte Jonathan Kepler. » Da bereitet sich jetzt schon die halbe Stadt drauf vor.«
    » Meinen Sie mit halber Stadt ganz West-Berlin?«, fragte Lutz Meißner und grinste.
    » Ich fürchte, der Witz wird Ihnen da ausgehen«, sagte Jonathan Kepler. Die smarte Arroganz des Pressevertreters nervte ihn.
    In der Nachmittagssitzung der Weltbank und des IWF kam es zu heftigen Auseinandersetzungen über die künftige

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