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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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Xochipilli
    Der Gott der Spiele und der Tänze
    Im Kleid der prächtigsten Vögel
    Der Gott des Regens
    Schöner ist mein Kleid aus Fetzen
    Als dein Anzug grau in grau
    Groß war die Pracht meines Landes
    Auf dem du nun stehst
    Sieh mich an
    Sieh hierher
    Jetzt stinken Gifte hier zum Himmel
    Die Menschen gehen voller Vergessen
    Die Herrschenden verkaufen unsere Länder
    Zerstört wird unser Regenwald
    Dein Plastikmüll nährt meine Kinder
    Ich stehe hier mein Kleid ist prächtig
    Auch wenn es längst in Fetzen
    An mir hängt
    Auf der Straße steht sie, nicht weit vom Palast des Präsidenten. Nicht jeder kann sie sehen. Sie sieht alles, durch alle Jahrhunderte hindurch. Sie weiß, was die Menschen denken, hier. Sie weiß, dass die Zeiten sich ändern, dass ihr Land sich sammelt, ansetzt zu einem gewaltigen Sprung und Kräfte freisetzen wird, die sie spürt, wie eine unterirdische Ader, die sie bewacht. Sie wartet. Er wird in der Limousine des Präsidenten um die Ecke biegen. Sie muss alle Kräfte auf ihn lenken, alle ihre Gedanken müssen ihn erfassen. Sie setzt ihre Hoffnung in ihn. Er kommt aus der Neuen Welt geflogen, mit den Wolkenkratzern und einer niemals zu stillenden Eroberungslust, in eine Welt, die uralt ist, voller Geheimnis, Chaos und Leid, und auf eigene Weise unendlich reich.
    Frei aber einsam, denkt es in Julius Turnseck, im Anflug auf Mexico-City, die Zeile aus dem Brief von Brahms, den Helen für ihn abgetippt hat, auf ihrer klappernden Schreibmaschine. Es war die Devise von Joseph Joachim, dem Geiger, mit dem Brahms als junger Mann eng befreundet gewesen war, die Devise, die er in seinem Streichquartett a-Moll, opus 51, eingearbeitet hatte, in der Kantilene der ersten Violine, Frei aber einsam, f a e – eine Musik, die er gut kennt, die in ihm klingt, im Lärm der Turbinen des landenden Flugzeugs, und er sieht unter sich, riesig, fantastisch, fremd: Mexiko.
    Die Gnome meiner Albträume
    Tragen Strumpfhosen aus Nylon
    Über ihren Kopf gezogen
    So kann ich nicht atmen
    Ich werde wie sie
    Gestank verpestet unsere Stadt
    Zerfrisst allmählich unsere Paläste
    Meine Hände werden Krallen
    Müde kaure ich am Wegrand
    Meine Füße werden Pfoten
    Nur einen Helm aus Gold trag ich
    Zum Schutz Du kennst mich
    Ich trete auf in deinen Träumen
    Der Bankier rollt im lärmgeschützten, klimatisierten Wagen durch die Straßen einer kreischenden, schmutzigen, riesigen Stadt, die von einer niemals weichenden Smogwolke durchdrungen ist. Die Luft ist dünn hier, denn die Stadt der Städte liegt auf einer Höhe von 2300 Metern über dem Meeresspiegel. Er fährt an Slums vorbei, die das Stadtbild unterbrechen, Blechhütten auf Müllhalden, Menschen in armseligen Kleidern, Kinder, die barfuß herumspringen, mit schmutzigen Gesichtern am Bordstein hocken und im Dreck spielen, er denkt an Jessica, seine Tochter, er sieht fantastische Bauten in barockähnlichem Stil, mit weißen Verzierungen, die abbröckeln, koloniale Wohnhäuser, deren Balkone halb heruntergerissen sind, er sieht Kirchen, die ihn an Europa erinnern und doch anders aussehen, Wolkenkratzer, die keine fünf Jahre alt sind, daneben zusammengeschusterte Baracken und Unrat, er sieht teure Geschäfte neben fliegenden Händlern und Leuten, die auf der Straße Essen anbieten, aus dampfenden Blechtöpfen, er sieht Kinder, die an den Ampeln ans Auto stürzen, um zu betteln, ihre Gesichter drücken sich ans Glas der Limousine, er sieht farbenfrohe Kleider, Frauen mit stolz erhobenen Köpfen, VW -Käfer als Taxen, denen der Beifahrersitz fehlt, er sieht eine wilde, laute Stadt.
    Ich bin Frau Tod
    La cavalera genannt
    Bestickt ist mein Kleid
    Mit glänzenden Pailletten
    Grünlich gelb ist mein altes Gesicht
    Mein Lächeln lässt dir das Blut gefrieren
    Dein Name sei Fremder
    Grau ist dein Anzug
    Du sollst mein Bräutigam sein
    Da kommt der Mann, ich sehe ihn –
    Der Wagen, der geschickt wurde, um den Bankier vom Flughafen zu holen, hält vor dem Palast des Präsidenten an einem weiten Platz, dem Zocalo. Ein riesiges altes Gebäude, zweihundert Meter lang, das Julius Turnseck an Venedig erinnert. Ein Mann in Livree öffnet ihm die Tür. Julius verlässt die Limousine, er knöpft sein Jackett in der Taille zu, eine Gewohnheit, er spürt den heißen Wind, der ihm ins Gesicht schlägt, er wird geblendet von gleißend hellem Sonnenlicht und ist wie betäubt von durchdringenden, scharfen, fremden Gerüchen und dem tosenden Lärm, der ihn auf einmal umgibt, doch ihm ist, in

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