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Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Der Tag ist hell, ich schreibe dir

Titel: Der Tag ist hell, ich schreibe dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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vertrauenswürdig, hörte ich es in mir denken, und: Diese empfindliche Haut beruhigt mich irgendwie. Von der Nase mit den eher festen Flügeln verliefen deutliche Linien zum Mund hin, der etwas uneben und leicht schräg im Gesicht stand; deine Brauen tanzten lebhaft; das ganze Gesicht wirkte offen und aufgeräumt.
    » Ich freue mich so, dass Sie gekommen sind! Ich bin so gespannt! Und vielen Dank für Ihren Brief, ich habe mich riesig gefreut! Meine Sekretärin hat mir gleich Bescheid gesagt, dass Post da ist, ich war ja in Moskau.«
    Die Sätze prasselten auf mich nieder.
    » Macht Ihre Sekretärin etwa Ihre Briefe auf?«, fragte ich entsetzt.
    » Nein«, hast du gelacht, » was für ein Gedanke! Erstens würde Frau Osthaus das niemals tun, wenn › persönlich‹ darauf steht, und außerdem habe ich es ihr am Telefon gesagt, dass sie Ihre Briefe nicht öffnen soll. Sie hat nämlich gleich gefragt, ob sie mir den Brief vorlesen soll.«
    » Uff«, machte ich und musste grinsen, bei der Vorstellung einer neugierigen Frau Osthaus.
    » Aber wir haben ja keine Geheimnisse, oder?«
    » Nee«, sagte ich schnell, » aber trotzdem. Wäre ein komisches Gefühl.«
    Der Kellner kam mit der Karte, ich warf schnell einen Blick darauf, was gab es ohne Fleisch? Ich wollte auf gar keinen Fall Umstände machen. Er hat mich aus Moskau angerufen, pulste es durch meinen Kopf, aus Moskau! Ein Vermögen!
    » Wie wäre es mit einem kleinen Aperitif?«
    » Muss nicht sein«, murmelte ich. Auch das noch.
    » Ein Gläschen Weißwein vielleicht?«
    » Um ehrlich zu sein, ich trinke überhaupt keinen Alkohol.«
    » Oh«, sagte er, » wie – vernünftig!«
    Ich glaube, du warst fast ein bisschen enttäuscht. Sofort fing ich zu reden an.
    » Das erste und einzige Mal«, platzte ich heraus, » dass ich ein bisschen Rotwein getrunken habe, war in Frankreich in den Sommerferien. Ich war zu Gast bei einer französischen Familie, und es gab eine Verlobung, und die Gastgeber haben gesagt, ein einziges Mal, Mädchen, nur dieses Mal, eine französische Verlobung ohne Wein, das ist wie gar keine Verlobung. Und dann stand ich völlig angeschickert vor einer Landkarte im oberen Stockwerk des Hauses, und der Sohn des Hauses, der so alt war wie ich, nämlich sechzehn, versuchte mir zu zeigen, wo Paris ist, und dann wollte er gucken, wo meine Zunge ist, aber ich wusste das eine schon und das andere auch und hab es mir aber trotzdem zeigen lassen. Oh, Mist«, sagte ich und unterbrach mich. » Entschuldigung! Da hab ich mich ja schön vorgestellt.«
    Du hast mich nur äußerst amüsiert angesehen, aber nicht unfreundlich. Der Kellner unterdrückte ein Grinsen und wartete mit seinem Block.
    » Gut, also erst mal eine große Flasche Wasser, bitte, oder möchten Sie lieber Apfelsaft?«
    Jetzt mussten wir beide lachen. Hoffentlich bringen wir das Gemähre ums Essen bald hinter uns, dachte ich.
    » Bitte, nach Ihnen!«
    » Ob ich den großen Salatteller auch ohne die Putenbrust bekommen könnte?«
    » Kein Problem«, der Kellner notierte, » lieber etwas Kochschinken?«
    » Nein, danke.«
    » Kein Problem.«
    Natürlich kein Problem. Mit Julius Turnseck war nichts ein Problem.
    » Und dann?«, fragte er und sah mich erwartungsvoll an. » Bitte, suchen Sie sich doch etwas aus, ich lade Sie ein!«
    » Ach, das reicht mir erst mal.«
    » In jedem Fall sollten wir die Hummersuppe vorher nehmen! Möchten Sie nicht ein schönes Filetsteak essen? Oder lieber Fisch?«
    » Wir haben heute red snapper«, sekundierte der Kellner. » An Spinatbett und Safransoße.«
    » Spinat klingt gut«, sagte ich.
    » Ah«, sagte er, » sind Sie etwa Vegetarier?«
    Ich wurde knallrot und nickte. » Ich will wirklich nicht kompliziert sein.«
    » Wenn Sie das kompliziert finden, dann kann ich mich nur freuen! (Zum Kellner:) Da haben wir doch bestimmt auch etwas besonders Schönes für die junge Dame, oder? Sie machen das mal, ich nehme den Fisch. (Zu mir:) Oder stört es Sie, wenn ein Tier auf dem Tisch ist?«
    Ich schüttelte höflich den Kopf. » Geht schon.«
    Kellner ab. Bankier lächelt.
    » Das hätten wir!«
    » Ja«, sagte ich. » Es ist mir entsetzlich peinlich.«
    » Das muss Ihnen überhaupt nicht peinlich sein«, sagte er. » Eigentlich bin ich auch kein großer Fleischfresser, obwohl meine Großeltern eine Metzgerei hatten, oder vielleicht gerade deswegen.«
    » Das verstehe ich sofort!« Ich sah mein ungewohntes Gegenüber neugierig an.
    » Sie wohnten nicht weit von uns

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