Der Tag mit Tiger - Roman
meine Wärmflasche.«
Dankbar lächelte Minni ihn an, und er half ihr, die beiden kleinsten Kinder in die Decken zu wickeln und in sichere Entfernung vom Haus zu tragen. Eddy und Joanna hielten sich schluchzend aneinander fest und wurden dann auch von Emil mit beruhigenden Worten weggeführt.
Christian war inzwischen dabei, mit George zusammen Elly zu überreden, über die Brüstung nach unten zu steigen.
»Kommen Sie! Ich fange sie auf. Sie können nicht in dem Rauch und Qualm da oben bleiben. Das ist gefährlicher als ein verrenkter Fuß.«
Auch ihr Mann redete in ihrer Muttersprache auf sie ein; es war unschwer zu erraten, dass er sie ebenfalls drängte. Ellywirkte wie gelähmt. Obwohl sie gleich zu Beginn umsichtig und schnell reagiert hatte, war sie jetzt kurz davor, die Nerven zu verlieren und zusammenzubrechen.
Plötzlich stürzte im Haus irgendetwas mit lautem Krachen zusammen, und ein Funkenregen sprühte aus dem Dach.
»Elly, spring!«, brüllte Minni, die ihr Zaudern mitbekommen hatte. Das Krachen und der Schrei weckten Elly aus der Erstarrung, und sie kletterte, ihr Nachthemd zusammenraffend, zitternd und hustend über die Brüstung. Mit dem Mut der Verzweiflung ließ sie sich dann so plötzlich fallen, dass Christian sie nicht halten konnte. Gemeinsam gingen sie zu Boden. Christian fiel unter dem Gewicht der Frau weich auf den Rasen, aber Elly stieß mit dem Kopf auf die steinerne Beetumrandung und verlor das Bewusstsein. George, etwas behänder, nutzte wie zuvor Anne den Kaninchenstall bei seinem Abstieg, der dabei allerdings zu Bruch ging und bei Fred fast einen Herzschlag verursachte. Er kam aber unversehrt unten an und begann sich sofort um seine Frau zu kümmern.
Der erste Feuerwehrwagen und der Rettungswagen bogen mit Geheul in die Straße ein.
Der Schlüssel
Anne war von dem Balkon auf Freds Stall nach unten gesprungen und wurde dort von Nina erwartet.
»Hat geklappt! Christian hat gesehen, was los ist. Er ist zwar begriffsstutzig wie alle Menschen, aber man kann sich auf ihn verlassen.«
»Ich habe die Leute auch wach bekommen«, antwortete Anne und blieb in Gedanken versunken stehen.
»Na, dann nichts wie weg von hier!«, forderte Nina die Zögernde auf.
»Da war doch noch was …« Anne schüttelte den Kopf. »Irgendetwas furchtbar Wichtiges, Nina.«
»Komm, nichts kann so wichtig sein, wie von einem brennenden Haus wegzukommen.«
»Doch, Nina, doch! Lass mich nachdenken! Es war, als ich versucht habe, hereinzukommen.«
»Dann geh wenigstens unter die Büsche, hier sind wir nur im Weg.«
Gedankenverloren tapste Anne hinter Nina her.
»War es Fred? Nein, obwohl man sich um den auch noch kümmern sollte.«
»Dies blöde Kaninchen wird schon irgendwer aus dem Stall holen. Doch wenn es wichtig war, dann streng deinen Grips jetzt mal an.«
So streng hatte Anne ihre Katzenfreundin überhaupt noch nicht erlebt, aber es half ihr, sich auf das zu konzentrieren, was sie vor dem Eindringen in den Raum gesehen hatte.
»Fenster, Treppe, Tür, Keller«, dachte sie laut. Dann fiel ihr es plötzlich wieder ein. »Ich hab’s, Nina!« Aufgeregt wandte sie sich ihrer Begleiterin zu.
»Was hat du Aufregendes?«, wollte Tiger neben ihr wissen, der leise hinzugekommen war.
»Der Schlüssel steckt noch. Ich muss ihn holen.«
Sie wollte losrasen, als sie von Tiger brutal zu Boden geworfen wurde.
»Nichts dergleichen wirst du tun! Wir verschwinden von hier.«
»Lass mich los, verdammt noch mal!« Anne zappelte und wehrte sich mit all ihren vier Beinen. »Der Schlüssel mit Cleos Schwanz steckt noch in dem Schloss der Kellertür.«
»Na und? Was nützt der schon? Wahrscheinlich ist der sowieso schon verbrannt.«
»Cleos Schwanz, mein Gott, wie furchtbar, wie grausig!« Nina bekam eine blasse Nase. »Lass Anne doch wenigstens noch mal nachschauen«, schlug sie vor.
»Nein, Nina, auf gar keinen Fall. Sie hat sich schon genug Gefahren ausgesetzt.«
»Entschuldige, ich vergaß. Dann gehe ich eben.« Nina stand auf und verschwand unter den Büschen, noch ehe Tiger etwas erwidern konnte. Sofort ließ er Anne los und rannte hinter Nina her. Anne rappelte sich auf, schüttelte kurz das Gras vom Rücken und folgte den beiden hinter das Haus.
In der Menschenmenge, die sich in der Straße und um das Grundstück versammelt hatte, standen auch Alf, Erni, Dick und Stone und mimten die unschuldig Interessierten.
»Wie konnte das nur passieren?«, rief eine Stimme in der Menge.
»Vermutlich eine
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