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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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in den Sand fallen. Die Augen der beiden Boten blitzten gierig auf. Dies verriet Yasha sofort, dass sie auf seinen Trick hereingefallen waren. Schnell, so, als ob es ihm gar nicht recht wäre, dass jemand die Goldtaler gesehen hätte, sammelte er sie wieder ein.
    Die beiden Boten zügelten ihre Pferde neben Yasha und grüßten höflich: »Insha’ Allah! Wo geht es denn hin, mein Kleiner? Es ist nicht gut, allein zu reisen.« Yasha schaute auf. »Ich reise nach Agadez«, antwortete er und hoffte, dass seine Stimme gleichgültig klang, damit die beiden nicht misstrauisch wurden. »Ach, dann kannst du uns begleiten, denn dort wollen wir auch hin!« Yasha fiel ein Stein vom Herzen.
    Gemeinsam zogen sie los.
    Nachdem die
    Sonne aufgegangen war, wurde die Hitze unerträglich und der Ritt anstrengend. Der Wind kam direkt aus Süden und glühte, statt Kühlung zu bringen. Es war wie in einem Ofen. Sein Mund wurde trocken, seine Augen brannten, gereizt von Sonne und Staub. Wie gerne hätte er sich das kostbare Wasser aus dem Ziegenfellbeutel über den Kopf laufen lassen. Aber das ging natürlich nicht. Er musste mit dem Wasser sparsam umgehen, das nächste Wasserloch würden sie erst im Laufe des nächsten Tages erreichen, hatten seine Begleiter ihm erklärt. Und so traute sich Yasha nur hin und wieder, einen winzigen Schluck zu nehmen. Das Wasser war warm und schmeckte schal, aber der Junge behielt es lange im Mund, um wenigstens die Illusion einer Erfrischung zu haben. Öfter dachte Yasha, dass er es nicht schaffen würde. Seinen Begleitern schien der Ritt durch die glühende Wüste kaum etwas auszumachen. Als sie am Abend die erste Rast einlegten, war Yasha todmüde. Mit letzter Kraft sattelte er sein braves Pferd ab. Der Lagerplatz lag ein wenig geschützt in einer felsigen Senke. Die Wüste in dieser Gegend besteht nicht nur aus Sand, wie man glauben könnte. Es gibt hier merkwürdig geformte Felsen und hohe Gebirge. So heiß die Wüste am Tag ist, so bitterkalt wird es in der Nacht. Der Wind wehte eisig und Yasha wickelte sich eng in die kratzige Wolldecke. Dankbar dachte er an den weißhaarigen Händler im Basar von Tamanrasset, der ihm geraten hatte, die dicke Decke für die Reise zu kaufen. Yasha hatte nicht geglaubt, dass er sie so nötig brauchen würde. Seine Begleiter schienen nicht müde zu werden. Sie hatten sich an das niedrige Feuer gehockt, schlurften Pfefferminztee und unterhielten sich flüsternd miteinander. Yasha traute ihnen nicht. Obwohl er hundemüde war, wagte er nicht zu schlafen, denn er wusste, dass sie ihn ausplündern würden. Schließlich hatte er ihre Gier mit seinen Goldmünzen angestachelt. Womöglich würden sie ihn in dieser öden Gegend alleine lassen, und das wäre sein sicherer Tod.
    Yasha
    war klar, dass er es
    ohne Schlaf nicht lange aushalten konnte. Da fiel ihm eine merkwürdige Geschichte ein, die er in Budapest gelesen hatte. Sie handelte von Dschinns! Dschinns sind böse Geister, die mit ihren grellen Stimmen Reisende ins Verderben locken wollen. Die Wüstenbewohner haben eine riesige Angst vor ihnen. Nun, Yasha war nicht abergläubisch. Aber er hatte schon die ganze Zeit bemerkt, dass der Wind, der in den Bergen durch die vielen Steinhöhlen pfiff, seinen Reisekumpanen unheimlich war. Sie hatten Angst vor diesen Geräuschen! Ja, die beiden hatten tagsüber sogar plötzlich den Weg gewechselt, wenn das Pfeifen besonders laut und beängstigend war. Diese Angst würde Yasha jetzt ausnutzen!
    Verstohlen griff er nach seinem Talisman und bat ihn, nachts bei jeder verdächtigen Handlung der Männer Dschinns nachzuahmen. Der Talisman glühte vor Begeisterung und es machte ihm einen Riesenspaß, Yashas Wunsch zu erfüllen. Im weiteren Verlauf der Reise entwickelte der Talisman seine Talente als heulender Dschinn so gut, dass Yasha herrlich erholsame Nächte verbrachte. Die beiden Boten Abdul Khemirs jedoch taten kein Auge zu und schlotterten nachts vor Angst unter ihren Decken.
    Als die drei Reisenden Agadez erreichten, war Yasha frisch wie eine Rose, ganz im Gegensatz zu seinen beiden Begleitern. Sie waren nur allzu froh, sich von ihm zu verabschieden, denn sie dachten inzwischen, dass Yasha ein Dschinn sei. Er war ihnen so unheimlich geworden, dass sie sich nicht getraut hatten, ihm seine Goldmünzen zu stehlen!
    Agadez ist eine relativ kleine Stadt. Jeder kennt hier jeden. In der Kühle des Abends versammelten sich die Einwohner auf einem schönen Platz unter riesigen Palmen und

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