Der Talisman (German Edition)
versprach er zum Abschied: »Salvi-Co-Ilu, mein Kleiner, bei Vollmond bin ich wieder zurück. Ich werde viele schöne Sachen mitbringen, aber das Schönste soll für dich sein, mein geliebter Sohn!« Dann segelte er davon.
Erleichtert
sah Yasha das
bunte Segel am Horizont verschwinden. Nun hatte er endlich die Freiheit, das zu tun, was er wollte. Denn trotz seiner erfolgreichen »Yasha-ist-sehr-brav-Strategie« war ihm der Riese ständig auf den Fersen gewesen. Nicht ein einziges Mal hatte der Junge allein über die Insel wandern können.
Natürlich beobachteten die Inselbewohner Yasha, denn der Riese hatte ihnen befohlen, gut auf seinen Sohn aufzupassen. Aber es stellte sich schnell heraus, dass Yasha nicht ernsthaft bewacht wurde. Dafür hatten die fleißigen Leute gar keine Zeit. Sie fuhren jeden Tag zum Fischen aufs Meer und wenn sie an Land waren, flickten sie ihre Netze und besserten die Boote aus. Yasha half ihnen gerne bei der Arbeit, aber oft verdrückte er sich heimlich, um nach Alumentai zu suchen. Zwischen den zerklüfteten Felsen gab es viele Verstecke. Yasha entwickelte sich zu einem Spezialisten, wenn es darum ging, die vielen kleinen Felshöhlen zu erforschen, die Wind und Meer in die Felsen gewaschen hatten. Doch nirgends fand er eine Spur von der alten Frau.
Auf seinen Streifzügen entdeckte Yasha in der Nähe des Dorfes eine kleine Bucht, die ihn magisch anzog. Die Küste war dort sehr rau. Der Wind peitschte das Meer in riesigen Wellen gegen die Klippen, so dass das Wasser zwischen den Felsen schäumte und brodelte. Die Dorfbewohner mieden diesen Platz, denn sie glaubten, dass es dort spukte. Außerdem hatte der Riese Yasha streng verboten, sich hier herumzutreiben.
Vom Dorf aus konnte man die Geisterbucht gut überblicken. Darum wurde Yasha fast jedes Mal gesehen, wenn er sich dort aufhielt. Und es folgten, so sicher wie das Amen in der Kirche, die Ermahnungen und Verbote, sobald Yasha wieder oben im Dorf erschien. Und als ob das noch nicht genug wäre, erzählten ihm die Fischer schaurige Geschichten von gestrandeten Schiffen und Geistern, die in dieser Bucht ihr Unwesen trieben. Aber Yasha fürchtete sich nicht.
Er saß oft stundenlang in der Geisterbucht, planschte mit den Füßen im Wasser herum, sah auf das Meer hinaus und hing seinen Gedanken nach. Manchmal stöberte Yasha in den Felsspalten Krebse und Muscheln auf. Die brachte er den Dorfbewohnern mit. Zusammen mit geröstetem Seetang kochten sie daraus ein leckeres Essen. Bald hatte niemand mehr etwas dagegen, dass Yasha die Geisterbucht aufsuchte. »Der Salvi-Co-Ilu weiß, wie man mit Geistern umgeht!«, hörte der Junge die Fischer leise flüstern.
Eines Abends, Yasha hatte lange auf seinem Lieblingsfelsen in der Geisterbucht gesessen, bemerkte er, dass sein Talisman sehr warm wurde. Überrascht schaute er sich um. Das Meer war spiegelglatt und zuerst konnte er nichts Ungewöhnliches entdecken. Oder doch? Ganz weit hinten am Horizont bildete sich ein zarter Nebelschleier. Langsam wehte er auf Yasha zu. Der Junge rieb sich überrascht die Augen. Das konnte nicht sein! Der Nebel formte sich zu einem Schiff, das mit Wellen kämpfte. Yasha begriff, dass ihm der Talisman etwas zeigen wollte. Wie gebannt starrte er auf die Bilder, die sich nun schneller und schneller aus dem Nebel formten. Eine große Figur rollte vom Deck des Schiffes ins Wasser. Dann wurde das Schiff an eine Klippe geworfen. Yasha hörte die Hilferufe der Matrosen, das Ächzen des Schiffes und das laute Tosen des Sturmes. Eine riesige Welle spülte etwas an Land, dass wie eine große Figur aussah. Kurz darauf erreichten eine Frau und ein Junge das rettende Ufer.
Yasha stockte der Atem,
als er den kleinen
Wasserträger aus der Diamantmine von Rondônia erkannte. Und ihm fiel ein, was Monsieur Pilori von Steju erzählte. Yasha hatte den kleinen Wasserträger, Steju, nicht erkannt, weil er im Zirkus Pilori immer eine silberne Maske trug. Und Steju erkannte Yasha nicht, weil er durch den Unfall sein Gedächtnis verloren hatte.
Yasha blieb keine Zeit, um über die unglücklichen Zufälle der Vergangenheit nachzudenken, denn schon formte der Nebel ein neues Bild. Das Fischerdorf! Yasha sah eine kleine Hütte, vor der eine alte Frau und Steju standen. Leider verschwand das Bild so schnell, wie es gekommen war. »Bitte, Talisman! Zeige mir, was danach passiert ist!«, bettelte Yasha. Doch der Talisman hüllte sich in Schweigen. Die alte Frau war ganz bestimmt die
Weitere Kostenlose Bücher