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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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sie nicht liebevoll um ihn herum, sondern stand mit zusammengekniffenem Mund abseits. Ein kostbares Geschenk würde die Wogen bestimmt wieder glätten.
    Huldvoll winkte er seine erste Gemahlin zu sich und nahm ihre kleine Hand in seine Pranke. »Diese Belohnung ist genauso glanzvoll wie du! Du hast sie dir als meine erste Gemahlin redlich verdient!« Mit diesen Worten ließ er den Klumpen in ihre Hand plumpsen. Die zunächst zufriedene Miene seiner Frau erstarrte. Auf ihrer Hand lag ein einfacher grauer Stein. Die anderen Frauen kicherten schadenfroh. Mit einem Schwung warf die erste Gemahlin den Stein gegen die Wand und verließ wütend die Halle. Diese Beleidigung würde sie Abdul Khemir heimzahlen. Inzwischen hatte Yasha mit Graf Gregorio und der kleinen Geige den Hafen erreicht. Er buchte eine Kabine auf dem nächsten Schiff, das Istanbul verlassen würde.



Die Dieselmotoren begannen laut zu brummen und das Schiff vibrierte. Yasha lief von einer Seite des Decks auf die andere. Fasziniert beobachtete er, wie der Frachter den Hafen von Istanbul verließ. Ein Schwarm Möwen begleitete ihn hinaus aufs Meer. Manchmal flogen die Vögel so dicht an Yasha vorbei, dass der Junge ihre kleinen gelben Augen listig funkeln sah. Der Wind wurde kräftiger. Eine Tür ging auf. Schnaufend und prustend wuchtete sich ein dicker Mann an Deck. Mit elegantem Schwung schüttete der Schiffskoch den Inhalt eines Eimers über Bord. »Mist!«, rief der Mann, wütend über sich, dass er die Windrichtung nicht bedacht hatte. Kreischend stürzten sich die Möwen auf die Küchenabfälle. Manche waren so geschickt, dass sie die Brocken noch in der Luft auffingen. Yasha lachte laut, denn der Schiffskoch grinste ihn verschmitzt an, während er versuchte, sich die Flecken aus dem Hemd zu reiben. »Hallo, du bist doch der Passagier mit dem kranken Freund. Kannst gleich mit mir in die Kombüse kommen und einen Teller Suppe mitnehmen!« Yashas fröhliche Stimmung war dahin. Sein Freund Graf Gregorio schlief unten in der Kabine. Es ging ihm gar nicht gut. Yasha runzelte sorgenvoll die Stirn und folgte dem Koch.
    Unter Deck
    mischte sich der Geruch
    von Diesel aus dem Maschinenraum mit den Kochdünsten aus der Kombüse. Die Passagierkabinen lagen direkt unter der Brücke, nahe bei den Unterkünften des Kapitäns und seiner Offiziere. In die Kabine neben Yasha und Graf Gregorio zogen zwei Männer ein. Die beiden riesigen Rucksäcke, die vor der Kabine standen, waren Yasha sofort aufgefallen, als er in den Gang zu seiner Kabine abbog. Helles Licht fiel durch die offene Tür und aus dem kleinen Raum drang lautes Poltern. Interessiert spähte Yasha in die Kabine. Seine neuen Nachbarn sahen unternehmungslustig aus. Sie trugen klobige Lederstiefel, karierte Hemden und abgewetzte Jeanshosen. An den Kleiderhaken hingen zwei speckige Hüte, ein dunkelbrauner Ledermantel und eine alte Jeansjacke, die sicher schon bessere Zeiten gesehen hatte. Yasha hätte gerne eine Unterhaltung angefangen. Denn der Koch hatte ihm erzählt, dass die beiden Naturwissenschaftler aus Kanada waren. Eine Weile blieb Yasha mit dem Suppenteller in der Hand vor der Tür stehen, doch die beiden Männer bemerkten ihn leider nicht. Die beiden Kanadier waren in puncto Unterhaltungswert eine Enttäuschung. Sie grüßten zwar immer sehr freundlich, waren aber überhaupt nicht gesprächig, sondern immer vertieft in ihre wissenschaftliche Arbeit. Die meiste Zeit verbrachten sie in der kleinen Bordbibliothek. Verbarrikadiert hinter hohen Bücherstapeln diskutierten sie hitzig und machten sich Notizen. Auch bei den Mahlzeiten waren die Wissenschaftler recht wortkarg. Yasha fragte sich unentwegt, womit die beiden sich wohl beschäftigen mochten. Auf jeden Fall wirkten sie sehr abenteuerlich.
    Graf Gregorio erholte sich nur sehr langsam. Den größten Teil des Tages schlief er. Yasha war jedes Mal froh, wenn sein Freund lange genug wach war, damit er ihm etwas zu trinken und zu essen einflößen konnte. Und auch jetzt fielen Graf Gregorio die Augen zu, kaum dass er ein paar Löffel gegessen hatte. Resigniert stellte Yasha den halbvollen Teller zurück auf den Tisch.
    » Allein!
    Immer bin ich
    allein. Ich möchte zurück zu Mutter und Vater Gössler. Meine Eltern werde ich nie finden!«, dachte er verzweifelt und versuchte vergeblich, den Kloß im Hals herunterzuschlucken, aber das wollte ihm dieses Mal so gar nicht gelingen. Ganz im Gegenteil: Unerwünschte Bilder aus der Vergangenheit

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