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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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tuschelnd kletterten die Jungen die steile Leiter zum Dachgeschoß hoch. Der Holzboden war mit frischem Stroh bedeckt, auf das die Großmutter dicke Schaffelle gelegt hatte. Die Jungen kuschelten sich unter ihre Wolldecken und Emil löschte die Lampe. Durch das dreieckige Fenster im Giebel schien der Mond. »Du, Emil! Es ist schön bei deiner Großmutter. Wenn ich meine Eltern finde, werde ich auch ein richtiges Zuhause haben. Mutter und Vater Gössler könnten doch dann so was Ähnliches wie meine Großeltern sein. Meinst du, das geht?«, wisperte Yasha.
    »Klar, warum denn
    nicht? Du musst
    dich nicht zwischen deinen Eltern und deinen Zieheltern entscheiden. Meine Mutter sagt immer, dass es genug Liebe für alle gibt. Hör mal, da draußen heult ein Wolf!« Eine Weile lauschten die beiden Jungen, dann murmelte Emil: »Immer wenn ich sie heulen höre, denke ich an einen Mann, der hier in der Nähe des Dorfes lebt. Die Leute behaupten, dass er ein Werwolf ist und haben Angst vor ihm. Meine Großmutter stellt ihm jeden Tag Milch und Brot vor seine Hütte. Das ist das beste Mittel, um Werwölfe zu besänftigen, behauptet sie. Stell dir mal unseren Hauptbibliothekar vor, den mürrischen Herrn Radu. Wir sollten ihm Milch und Brot mitbringen. Vielleicht scheucht er uns dann nicht mehr so in der Bücherei herum«, sinnierte Emil und Yasha kicherte.
    Auf dem Lande steht man früh auf. Emils Großmutter war unterwegs, um dem Werwolf Milch und Brot zu bringen. Sobald sie zurück war, würden sich Emil und Yasha auf den Rückweg nach Sibiu machen. Die zwei packten gerade ihre Rucksäcke, als es vor dem Haus rumpelte und polterte. Neugierig traten die Jungen ans Fenster und drückten ihre Nasen an der Scheibe platt. Vor dem Gartenzaun hielt ein Pferdefuhrwerk. Auf der Ladefläche stand ein hoher Kasten, der sorgfältig mit einem schwarzen Tuch abgedeckt war. Der Kutscher stieg ab und rüttelte prüfend an seiner Fracht. Am Ende der Straße tauchte Großmutter Knall auf. Neben dem Fuhrwerk blieb sie stehen und gestikulierte eifrig mit dem Kutscher. Vorsichtig zogen die beiden das schwarze Tuch vom Kasten. »Nein, das ist ja furchtbar! Das kann nicht wahr sein!«, hörten Yasha und Emil die Großmutter stöhnen. Wenige Sekunden später betrat die alte Dame mit dem Fremden die Wohnküche.
    Der Kutscher war niemand anderes als Georgy, der Pferdehändler aus der Puszta! Überrascht begrüßte Yasha seinen alten Bekannten. Großmutter Knall musterte die beiden und sagte: »Ihr kennt euch? Das ist gut, denn dieser Mann braucht die Hilfe eines wahren Freundes!« Dann nickte die alte Dame Georgy zu. Stockend erzählte der Pferdehändler: »Yasha, du kennst doch meinen weißen Hengst mit der herzförmigen Blesse? Der, mit dem du Panna aus dem Reich des bösen Abdul Khemir befreit hast! Mein wunderbarer Pegasus ist tot! Von den beiden Vampiren ausgesaugt, die du draußen auf dem Wagen sehen kannst! Ach! Ach! Ach!«, seufzte Georgy und begann zu weinen: »Es fing alles so harmlos an, wir hatten Kinokarten geschenkt bekommen. Aber Anna und ich kamen zu spät zur Vorstellung und wurden wieder weggeschickt. Zum Trost gab uns ein Mann eine kleine schwarze Schachtel. Ich steckte sie in die Tasche und dachte nicht mehr daran. Nachdem ich Anna bei Onkel Kyril abgesetzt hatte, fuhr ich nach Hause auf den Hof. Dort öffnete ich die Schachtel und die zwei Fledermäuse, die darin waren, flatterten davon.
    Schon am nächsten
    Abend sah ich sie
    in der Nähe der Pferdekoppel wieder. Sie waren größer geworden! Ja! Fast einen Meter Durchmesser hatten sie. In der Nacht töteten sie die ersten Pferde. Die armen Tiere lagen ausgeblutet auf der Weide. Es war entsetzlich!« Großmutter Knall hatte sich an den Tisch gesetzt und drückte Georgys Hand. »Ich habe Pegasus sofort in den Stall gebracht und die Türen bei Anbruch der Dunkelheit immer verriegelt. Eines Nachts weckte mich lautes Wiehern und Gepolter. Ich raste zum Stall, doch es war zu spät. Mein wunderbarer Hengst verblutete qualvoll.
    Plötzlich hörte ich
    leises Schnarchen ganz hinten
    im Stall. Ich hatte Angst. Mit einer Heugabel bewaffnet schlich ich in die dunkle Ecke. Dort entdeckte ich Pegasus’ Mörder. Die widerlichen Fledermäuse hingen an der Decke. Vom Blut gesättigt schliefen sie tief und fest. Sie erwachten nicht einmal, als ich sie in den Käfig sperrte. Man riet mir, diese Blutsauger nach Transsylvanien, ins Land der Vampire, zu bringen. So kam ich in dieses Dorf und die Leute

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