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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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war düster. »Hast ein riesiges Loch in der Birne. Wer hat dir bloß so aufn Dötz gehauen, dass du nich wach wirst? Kohle gäbe ich drum, es zu erfahren«, brummte sie und betrachtete Georgy, dessen Gesicht fast so weiß wie der riesige Verband war, den der Arzt um seinen Kopf gewickelt hatte. Anna seufzte tief und dachte an den verpatzten Kinoabend in Budapest und den Abschied vor Onkel Kyrils Haus. Das war lange her. Nun lag Georgy hier und sagte keinen Piep. Aber er war nicht Annas einziger Patient. Nebenan im Zimmer lag ein fremder Junge mit hohem Fieber. Sie musste nach ihm sehen. Und dann gab es auch noch Amy, die bald fohlen würde. Nein! Es war wirklich nicht so, dass sich Anna über mangelnde Arbeit beschweren konnte. Die Bettfedern schnellten erleichtert nach oben, als Anna sich schnaufend erhob.
    Als Yasha
    wieder zu sich
    kam, stand eine stattliche Frau vor seinem Bett und hielt ihm ein Glas Milch entgegen. »Hier! Trink! Das ist gut für dich, Stutenmilch!« Folgsam griff Yasha nach dem Glas. »Ich bin Anna, die Frau von Georgy. Und wer bist du?«, begann Anna das Gespräch. »Yasha! Ein guter alter Freund von Georgy.« Anna schlug sich auf die Schenkel und lachte, bis ihr die Tränen über die rosigen Wangen rollten: »Yasha? Hm. Ein alter Freund kannste nich sein. Du siehst aus, als wären dir gerade erst die Milchzähne ausgefallen.« Empört richtet sich Yasha auf, aber gegen Anna hatte er nicht den Hauch einer Chance. Mit der Entschlossenheit eines Feldwebels drückte die stattliche Frau ihn in die Kissen zurück und grollte: »Nee, nee, du lütter Schitbüdel bleibst im Bett, bis dat Fieber wech is!« »Aber ich habe kein Fieber mehr!«, murmelte Yasha leise. Bedrohlich neigte sich Anna vor, bis ihre Nase fast die von Yasha berührte und fauchte: »Der Pastor predigt nich zweimal! Fieber hast du, so is dat. Sabbelst ne ganze Woche Dummtüüch von Vampiren und verzauberten Eltern und schlägst wild um dich. Nee, dat will ich nich noch mal haben! Wenn du aufstehst, gifft dat mächtig Mecker! Und jetzt is Ruhe in der Bude!« Energisch wand sich Anna ab und öffnete das Fenster. Als sie sich wieder umdrehte, war Yasha schon wieder eingeschlafen. Ganz leise verließ Anna das Zimmer.
    In der Nacht
    schrak
    Yasha auf. Lautes Wiehern und ein Schrei von Anna drangen über den Hof in sein Zimmer: »Es ist ein Wunder geschehen! Ein Wunder! Brav so, Amy, brav!« Yasha sprang aus dem Bett und raste aus dem Haus. Im Stall brannte Licht. Die Tür quietschte leise, als er sie öffnete. Der Anblick war herzergreifend. Anna tätschelte die Stute. Amy, die stolze Mutter, leckte ihr Fohlen sorgfältig ab. Das Kleine war ganz weiß. Als Yasha näher kam, sah er auf der Stirn des Fohlens eine schwarze, herzförmige Blesse. »Es sieht genauso aus wie Georgys Lieblingshengst Pegasus! Das ist mehr als ein Wunder. Das ist der Sieg über das Böse!«, flüsterte Yasha bewegt. Unendlich zart und gebrechlich stand das kleine Wesen auf seinen zitternden Beinen vor ihnen. »Du hast Recht, Yasha! Pegasus soll der Lütte heißen. Und nun trink lieb von deiner Mami, Pegasus!«, seufzte Anna mit gebrochener Stimme. »Yasha, leg dich wieder hin, mach ’ne Fliege!«, raunzte Anna und schubste Yasha aus dem Stall. Die ruppige Anna wollte nicht, dass jemand sah, dass sie Tränen in den Augen hatte. Dass unter ihrer rauen Schale ein butterweiches Herz steckte, hatte Yasha längst bemerkt. Also trollte er sich ins Haus.
    Leise betrat
    der Junge
    Georgys Zimmer und erschrak. Der Kopf des Pferdehändlers war mit weißen Bandagen umwickelt, reglos und bleich lag er im Bett. Vorsichtig griff Yasha nach Georgys Hand und flüsterte: »Georgy! Georgy, hörst du mich? Ein kleiner Pegasus ist geboren! Das Gute hat über das Böse gesiegt!« Yasha spürte, dass Georgy fast unmerklich seine Hand drückte.
    Als Georgy zum ersten Mal aufstehen konnte, begleitete ihn Yasha zur Pferdekoppel. Eine Weile lehnten sie schweigend am Zaun und bewunderten den kleinen Pegasus, der mit munteren Sprüngen über die Koppel sauste. Plötzlich sagte Georgy: »Yasha! Es gibt etwas, was du unbedingt wissen musst. Es hat mit dem Kino zu tun. Du erinnerst dich doch daran, dass ich mit Anna nicht in die Vorstellung gelassen wurde. Weißt du, mit wem wir uns im Kino treffen wollten? Mit deinen Eltern und mit Panna und Androsh. Yasha, da stimmt etwas nicht! Wir hatten die Karten mit der Post bekommen, aber keiner von uns hat sie gekauft oder an einem Gewinnspiel

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