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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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einige der Knöpfe, und in dem kleinen Fenster leuchtete kurz eine Reihe von Ziffern auf. Sloat hatte diese Kassette, angepriesen als kleinster Safe der Welt, in Zürich gekauft. Nach Angaben des Verkäufers konnte nicht einmal eine Woche in einem Krematorium diesem Stahl etwas anhaben.
    Jetzt klickte der Verschluss auf.
    Sloat klappte zwei winzige Laschen aus schwarzem Juweliersamt zurück und legte etwas frei, das er schon über zwanzig Jahre besaß – also schon lange bevor der widerwärtige Bengel, der all diese Schwierigkeiten machte, geboren wurde. Es war ein rostiger Blechschlüssel, und früher hatte er im Rücken eines aufziehbaren Spielzeugsoldaten gesteckt. Sloat hatte den Spielzeugsoldaten im Schaufenster eines Trödelladens in der seltsamen kleinen Stadt Point Venuti in Kalifornien gesehen – einer Stadt, die ihm sehr viel bedeutete. Unter einem Zwang handelnd, der viel zu stark war, um sich leugnen zu lassen (und er hatte ihn auch nicht leugnen wollen, nicht wirklich; Morgan Sloat hatte aus Zwängen immer eine Tugend gemacht), war er hineingegangen und hatte fünf Dollar für den staubigen, verbeulten Soldaten bezahlt. Dabei war es nicht der Soldat, den er haben wollte. Es war der Schlüssel, der seinen Blick angezogen und ihm dann etwas zugeflüstert hatte. Er hatte den Schlüssel aus dem Rücken des Soldaten gezogen und ihn in die Tasche gesteckt, sobald er den Trödelladen verlassen hatte. Den Soldaten warf er in einen Mülleimer vor der Dangerous Planet-Buchhandlung.
    Jetzt stand Sloat neben seinem Wagen auf dem Rastplatz von Lewisburg, hielt den Schlüssel hoch und betrachtete ihn. Wie Jacks Plektron wurde auch der Blechschlüssel in der Region zu etwas anderem. Einmal hatte er, als er zurückkehrte, den Schlüssel in der Halle des alten Bürogebäudes verloren. Und offenbar hatte noch etwas von der Magie der Region dringesteckt, denn keine Stunde später hatte sich dieser Idiot Jerry Bledsoe grillen lassen. Hatte Jerry ihn aufgehoben? War er vielleicht daraufgetreten? Sloat wusste es nicht, und es war ihm auch gleichgültig. Auch Jerrys Tod ging ihm nicht unter die Haut – und angesichts der Tatsache, dass der Hausmeister eine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, die bei Tod durch Unfall die doppelte Summe zahlte (der Hausverwalter, mit dem Sloat gelegentlich eine Pfeife Haschisch teilte, hatte ihm diese nebensächliche Information zukommen lassen), konnte sich Sloat gut vorstellen, dass Nita Bledsoe einen Schritt die Leiter hinauf getan hatte. Aber der Verlust seines Schlüssels hatte ihn fast verrückt gemacht. Es war Phil Sawyer, der ihn gefunden hatte und ihm mit der Bemerkung zurückgab: »Hier, Morgan. Dein Maskottchen, nicht wahr? Anscheinend hast du ein Loch in der Tasche. Ich fand es in der Halle, nachdem sie den armen alten Jerry weggebracht hatten.«
    Ja, in der Halle. In der Halle, wo alles roch wie der Motor eines Formeleins-Rennwagens, der rund neun Stunden ununterbrochen auf Hochtouren gelaufen ist. In der Halle, wo alles geschwärzt und verbogen und geschmolzen war.
    Nur sein bescheidener Blechschlüssel nicht.
    Der in der anderen Welt eine höchst eigentümliche Blitzschleuder war – und den sich Sloat jetzt an einer dünnen Silberkette um den Hals hängte.
    »Jetzt geht’s dir an den Kragen, Jacky«, sagte Sloat mit fast zärtlicher Stimme. »Es ist an der Zeit, diesem ganzen lächerlichen Unternehmen ein für allemal einen Riegel vorzuschieben.«

 
Siebzehntes Kapitel
     
    Wolf und die Herde
     
    1
     
    Wolf redete von vielen Dingen, stand gelegentlich auf, um seine Herde von der Straße zu scheuchen, und einmal, um sie an einen ein paar hundert Meter weiter westlich gelegenen Fluss zu treiben. Als Jack ihn fragte, wo er wohnte, deutete Wolf nur vage mit dem Arm nach Norden. Er wohnte, sagte er, bei seiner Familie. Als Jack ein paar Minuten später Genaueres wissen wollte, schaute Wolf überrascht drein und sagte, er hätte keine Frau und keine Kinder – es würde noch ein oder zwei Jahre dauern, bis er in das kam, was er den »großen Brunstmond« nannte. Dass er sich auf den »großen Brunstmond« freute, ließ das unschuldig lüsterne Grinsen, das sein Gesicht überzog, deutlich erkennen.
    »Aber du hast doch gesagt, du wohnst bei deiner Familie.«
    »Oh, Familie. Die! Wolf!« Wolf lachte. »Klar. Die! Wir leben alle zusammen. Müssen das Vieh hüten. Ihr Vieh.«
    »Das der Königin?«
    »Ja. Möge sie niemals sterben.« Und Wolf salutierte auf seltsam rührende

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