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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Pullover mit V-Ausschnitt, die Unterkante im Hosenbund.
    Einen unbehaglichen Moment lang fragte sich Jack, ob es wirklich möglich war, mit jemandem, der so zugeknöpft war, dass er sogar seinen Pullover unter den Gürtel stopfte, über die Region zu sprechen.
    »Ich habe gestern um die Mittagszeit das letzte Mal gegessen«, sagte er sanft. »Ich bin ein bisschen hungrig, Richard. Danke, dass du mir etwas mitgebracht hast. Es ist phantastisch. Das beste Hähnchen, das ich je gegessen habe. Mächtig anständig vor dir, dass du deswegen einen Hinauswurf riskierst.«
    »Du glaubst wohl, das wäre ein Witz?« Richard zerrte stirnrunzelnd an seinem Pullover. »Wenn dich jemand hier findet, fliege ich vermutlich tatsächlich hinaus. Also mach darüber keine Witze. Wir müssen überlegen, wie wir dich nach New Hampshire zurückbringen.«
    Danach ein Augenblick Schweigen: ein abschätzender Blick von Jack, ein ernster Blick von Richard.
    »Ich weiß, dass ich dir erklären muss, was ich vorhabe, Richard«, sagte Jack, den Mund voll Hähnchenfleisch, »und glaube mir, es wird nicht einfach sein.«
    »Du siehst irgendwie anders aus«, sagte Richard. »Du wirkst – älter. Aber das ist nicht alles. Du hast dich verändert.«
    »Ich weiß, dass ich mich verändert habe. Du hättest dich auch verändert, wenn du seit September mit mir unterwegs gewesen wärst.« Jack lächelte, betrachtete den stirnrunzelnden Richard in seiner korrekten Kleidung und wusste, dass er es nie fertig bringen würde, Richard über seinen Vater aufzuklären. Er war dazu einfach nicht fähig. Wenn der Lauf der Dinge es mit sich brachte, dann sollte es eben sein; aber er selbst hatte nicht das Herz für diese spezielle Enthüllung.
    Sein Freund fuhr fort, Jack stirnrunzelnd zu mustern; offensichtlich wartete er auf den Anfang seiner Geschichte.
    Vielleicht um den Augenblick hinauszuschieben, in dem er versuchen musste, Richard den Vernünftigen vom Unglaublichen zu überzeugen, fragte Jack: »Geht der Junge im Nebenzimmer von der Schule ab? Ich sah seine Koffer auf dem Bett liegen.«
    »Ja, das ist interessant«, sagte Richard. »Ich meine, interessant im Zusammenhang mit dem, was du sagtest. Er geht tatsächlich ab – er ist sogar schon fort. Wahrscheinlich kommt später jemand, um seine Sachen abzuholen. Gott weiß, was für einen phantastischen Reim du dir darauf machen wirst, aber der Junge nebenan war Reuel Gardener. Der Sohn dieses Predigers, der das Heim leitete, aus dem du angeblich entkommen bist.« Richard ignorierte Jacks plötzlichen Hustenanfall. »Ich glaube, man kann Reuel beim besten Willen nicht als den gewöhnlichen Jungen von nebenan bezeichnen, und wahrscheinlich bedauert hier niemand seinen Abgang. Als die Geschichte über die Jungen, die im Heim seines Vaters gestorben waren, in den Zeitungen stand, bekam er ein Telegramm mit der Anweisung, Thayer zu verlassen.«
    Jack war es gelungen, den Brocken Fleisch hinunterzuschlucken, der ihm beinah im Halse stecken geblieben wäre. »Sunlight Gardeners Sohn? Dieser Kerl hat einen Sohn? Und er war hier?«
    »Er kam zu Beginn des Schuljahrs«, sagte Richard. »Das war es, was ich dir vorhin schon zu erzählen versuchte.«
    Plötzlich fühlte sich Jack von der Thayer School auf eine Art bedroht, die außerhalb von Richards Begriffsvermögen lag. »Was war er für ein Junge?«
    »Ein Sadist«, sagte Richard. »Manchmal habe ich wirklich merkwürdige Geräusche aus Reuels Zimmer gehört. Und einmal sah ich hinten auf dem Müllcontainer eine Katze, die keine Augen und Ohren mehr hatte. Wenn man ihn sah, konnte man sich gut vorstellen, dass er imstande war, eine Katze zu foltern. Außerdem roch er ungefähr so wie ranziges Leder.« Richard verstummte für einen genau kalkulierten Augenblick und fragte dann: »Warst du wirklich in diesem Sunlight-Heim?«
    »Gut zwei Wochen. Und es war die Hölle oder etwas, was nicht weit davon entfernt ist.« Er atmete tief ein und warf einen Blick auf Richards kritisches, aber jetzt zumindest halb überzeugtes Gesicht. »Ich weiß, dass das ein harter Brocken für dich ist, Richard, aber der Junge, der bei mir war, war ein Werwolf. Und wenn er nicht bei dem Versuch, mir das Leben zu retten, getötet worden wäre, hätte ich ihn mitgebracht.«
    »Ein Werwolf. Haare auf den Handflächen. Verwandelt sich bei Vollmond in ein blutrünstiges Ungeheuer.« Richards Blick wanderte nachdenklich durch das kleine Zimmer.
    Jack wartete, bis Richards Blick zu ihm

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