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Der Tanz Der Klingen

Der Tanz Der Klingen

Titel: Der Tanz Der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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rang förmlich nach Luft, während sein Herz trommelte wie sämtliche Spechte der Welt zusammen. Er war nicht tot, noch nicht, dafür hilflos wie ein Kleinkind in den Armen des Schattenherrn.
»Setzt du mich ab, Bruder?«
    Raunzer setzte ihn ab. Erst jetzt wurde deutlich, dass er halb in Stücke gestochen und geschnitten worden war. An seiner Brust prangten mehrere schwarz verkrustete Wunden, und die Kehle war ihm aufgeschlitzt worden. Klingen waren nie einfach umzubringen. Seine Hüften und Schultern waren bis auf die Knochen aufgeschunden; sowohl Kleider als auch Fleisch waren regelrecht abgeschabt worden, als er sich durch das Loch aus dem Tunnel gewunden hatte, doch diese Verletzungen hatten nicht mehr geblutet. Unbezwingbar hing an seiner Seite.
    Ein Dutzend weiterer Leichname stand reglos in der Dunkelheit und beobachtete sie. War dieses unverhoffte Ausbleiben jeglicher Angriffslust ein Zeichen, dass der Sonnenaufgang nahte? Oder … war es so wie bei Sir Bernard und Sir Richey? Auch sie wurden Schattenherren, hatte Sir Tancred gesagt, und wir haben ihre Leichname am Morgen bei den anderen gefunden. Aber sie griffen die Lebenden nicht so wie die toten Hoffreisassen an. Vielleicht erhielten sie keine Gelegenheit, aber Großzauberer meint, ihre Bindung könnte sie gefeit haben, zumindest eine Zeit lang.
    Ringwald sammelte mühsam etwas Speichel im Mund und deutete auf das Feuer. »Der Mann dort oben will unser Mündel töten, Bruder. Ich muss hinauf und ihn ausschalten. Wirst du mir dabei helfen?«
    Raunzer wandte sich ab und trat ins Leere. Sein Fuß landete einen langen Schritt entfernt und etwas tiefer unbeirrt auf einem schartigen Stein. Der andere Fuß schwang nach und fand auf einem ähnlich zerklüfteten Steindorn Halt, während gleichzeitig Raunzers Hand vorschnellte und nach etwas zum Festhalten suchte … all das tat er in Finsternis, und Ringwald konnte im Dunklen sehen. Sobald Raunzers Stiefel den ersten Trittstein verließ, setzte Ringwald den eigenen mit einem langen Schwung darauf, bei dem er halb schritt, halb fiel. Es gab keine Möglichkeit, dies langsam zu tun. Er musste den Schwung beibehalten, um sich an die Bewegungen zu erinnern. So folgte er seinem toten Führer durch den tödlichen Irrgarten aufwärts und abwärts, über zwei Meter breite Klüfte und unter Überhängen hindurch. Ohne zu zögern, pflügte Raunzer durch schulterhohe Distelwucherungen und sprang bis zu zweieinhalb Meter tiefe Abgründe hinunter. Dennoch schien er zu wissen, was sein Gefährte tat, denn einmal baumelte Ringwald an einer Hand und konnte sich weder hochziehen, noch mit der zweiten Halt finden. Eine eisige Faust schloss sich um sein Handgelenk und hievte ihn empor wie eine Forelle aus einem Netz.
    »Danke, Bruder«, japste er, doch Raunzer war bereits wieder unterwegs.
Raunzer gab keinen Laut von sich. Schließlich war Raunzer die Kehle herausgerissen worden. Raunzer, dem musste man ins Auge sehen, war sehr tot. Vielleicht würde sein Leichnam es sich anders überlegen und sich ohne Vorwarnung gegen Ringwald wenden, doch bis dahin konnte Ringwald nicht auf seine Hilfe verzichten. Einige der anderen Schattenherren folgten ihnen und verursachten dabei gerade so viel Lärm, dass Ringwald wusste, wo sie waren.
Der Gedanke Armbrust nagte ohne Unterlass an ihm. Selbst während er in tiefste Schwärze sprang, um einen winzigen Halt zu finden, von dem er nur durch eine Art geistigen Glauben wusste, dass er überhaupt vorhanden war, ging ihm fortwährend der Gedanke Armbrust durch den Kopf. Er hatte keine Armbrüste gesehen, keine Armbrüste gehört, gerochen oder geschmeckt. Niemand hatte Armbrüste erwähnt. Seine Bindung sandte ihm Eingebungen. So wie Johanna ihren Gemahl beschrieben hatte, sollte Rubin nicht persönlich hier sein. Viel ähnlicher hätte ihm gesehen, zu Hause zu bleiben und am nächsten Morgen im wohligen Umfeld seines Arbeitszimmers darüber zu lesen. Nein, er war gekommen, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass sie dieses Mal tatsächlich starb, und er würde sie dort auf der Treppe festhalten, bis es hell genug war, damit Kantor Kuritsin eine Armbrust einsetzen konnte. Johanna befand sich in kürzester Entfernung, und auf dem wackeligen Stand der Treppe konnte selbst ein Streifschuss todbringend sein.
Als die albtraumhafte Reise endete, bestand kein Zweifel mehr daran, dass der Himmel heller wurde. Zwar regnete es nach wie vor, doch Wolken allein konnten die Welt nicht ewig verdunkeln.

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