Der Tanz Der Klingen
als er ahnte.
»Üblicherweise«, brummte der Baron, »beschränkt er seine Aufmerksamkeit auf die niederen Klassen, und dem Vernehmen nach ist er recht großzügig. In Krupa werden Mädchen als Bestechung verwendet, um Aufträge, Beförderungen, bevorzugte Behandlung oder hohe Ämter zu erlangen. Aber das Mündel eines Adeligen steht nicht zum Verkauf!«
»Warum? Ich meine, warum habt Ihr gesagt, dass Seine Hoheit nicht heiraten kann?« Der Wein zitterte unbeachtet in dem Kelch, den sie hielt.
Ernst drehte seinen fülligen Leib herum und stapfte zurück zum Fenster. »Weil Großherzoge von Krupina stets königliches Blut heiraten – gewiss, zumeist aus unbedeutenderem Hause, dennoch aus königlichem. In sehr jungen Jahren war Rubin zwei Mal verheiratet, und beide Gemahlinnen kamen unter merkwürdigen Umständen ums Leben. Das genügt, um den Herrscher eines kinderschuhgroßen Herzogtums vom Markt für Prinzessinnen auszuschließen. Auch seine Liederlichkeit ist wenig hilfreich, denn sie ist wohlbekannt. Mit seinem Onkel hat er einen geeigneten Erben und scheint zufrieden damit, es dabei zu belassen.« Der alte Mann drehte sich um und musterte Johanna mit düsterer Miene. »Ich kann ihn nicht aus dem Hausjagen, was jedem anderen blühen würde, der so mit dir redet, wie er es tat. Und dich kann ich auch nicht zu Nachbarn schicken – da er dich bereits kennen gelernt hat, käme das einer Beleidigung gleich. Wir werden ihn wohl ertragen müssen, bis er jemand anders ins Auge fasst. Ich werde die Kunde unter der Dienerschaft verbreiten und hoffen, dass eines der Mädchen anbeißt. In der Zwischenzeit schläfst du im Fuchsbau, und tagsüber darfst du nie ohne Begleitung sein.«
Zwei Wochen lang war Johanna nie allein, außer nachts, wenn sie davonhuschte, um im Fuchsbau zu schlafen.
Niemand wusste, wer den Fuchsbau gebaut hatte oder wann. Wäre er in der Lage gewesen zu sprechen, hätte er gewiss so manche haarsträubende Geschichte von Gehetzten, Flucht und Verrat zu erzählen gewusst, einige bereits Jahrhunderte alt, andere nicht. Selbst Suchende, die Grund zu der Annahme hätten, dass es einen solchen Ort gab, brauchten Wochen, um ihn zu finden, denn er war listig in der dicken Turmmauer verborgen. Obwohl Ernst selbst nie Anlass gehabt hatte, ihn zu verwenden, hielt er ihn gut in Schuss – die geheime Tür, die Warnglocke, die klug angeordneten Gucklöcher, durch die man das Geschehen draußen beobachten konnte. Der Fuchsbau war zwar beengt, aber er befand sich hoch im Turm, wodurch Johanna das Grauen vor Orten unter der Erde erspart blieb, das sie seit frühester Kindheit plagte.
Die Mahlzeiten waren schlimm, weil sie neben dem Herzog sitzen und seine Annäherungsversuche ertragen musste, aber an den meisten Tagen war er auf der Jagd. Am schlimmsten waren die Abende, wenn sie ihn im Sonnenzimmer bedienen musste und seine Anzüglichkeiten immer unverhohlener wurden, was zorniges Aufbegehren seitens des Barons zur Folge hatte. Für einen berüchtigten Verführer erwies sich Rubin als seltsam tollpatschig. Selbst sommersprossige Bauernjungen brachten weit bessere Floskeln zustande als Rubin, wie Johanna aus Erfahrung wusste. Er bot ihr Reichtum und Juwelen an, ließ Andeutungen auf Land und den Titel einer Freifrau fallen, die sie an einen Sohn vererben konnte, so sie je einen haben sollte. Sie sollte sich geschmeichelt fühlen, doch stattdessen fühlte sie sich beschmutzt. Ihm kam nie in den Sinn, sie zur Jagd mitzunehmen, zum Hof einzuladen oder etwas anderes als plumpe Bestechung zu versuchen. Leider schenkte er den hübschen Dienstmädchen keine Beachtung, die ihn liebäugelnd umschwirrten.
Da der Baron reich und höchst betagt war, bestand kaum Hoffnung, ihn durch Bestechung gefügig zu machen, aber er konnte ihm zusetzen, was er auch tat. Aus Krupa schwärmten weitere fünfzig Gefolgsleute herbei, die fraßen wie Heuschrecken, die Speisekammern des Schlosses rasch leerten und Seneschall Priboi zwangen, zu hohen Kosten Vorräte von nah und fern zu erwerben. Uralte Landansprüche und Klagen wurden aus den Staatsarchiven ausgegraben und gleich einem Henkersbeil über von Faders Reichtum und sogar Titel geschwungen. Dieses Vorgehen verängstigte Johanna zutiefst, weshalb sie den Baron unter vier Augen anflehte, sich dem Herzog unterwerfen zu dürfen, damit sie es hinter sich hätten. Doch dadurch wurde der betagte Mann nur um so wütender und störrischer. Er schwor, dass er nie und nimmer nachgeben
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