Der Tanz Der Klingen
sollte sie vor einem adeligen Besucher knicksen, doch etwas an der Art, wie er sie ansah, lähmte sie regelrecht.
Die Abendsonne loderte an einem Himmel so klar und blau, wie er sich sonst nur im Sommer präsentierte. Johanna war erschöpft und angenehm verschwitzt, denn das Einbringen der Ernte war eine vergnügliche Arbeit, an der jede gesunde Seele in oder rings um Fadrenschloss teilnahm, von kleinen Kindern bis zu rüstigen Greisen. Die Jungen arbeiteten ausnahmslos barbrüstig, was zu allerlei Flachsereien und Andeutungen, Liebäugeln und Versprechen führte, die später am Abend teils eingelöst wurden, teils nicht. Mädchen, die kaum älter waren als sie, wurde emsig der Hof gemacht.
»Nun?«, fragte der Edelmann. »Wie lautet dein Name, kleine Schlüsselblume?«
Ihr grünes Leinenhängekleid war von besserer Güte als die Gewänder der Bauernmädchen, trotzdem beileibe kein Kleidungsstück einer Fürstin. Ihr Haar, das sie mit einer Schleife zurückgebunden hatte, war vom Sommer flachsfarben gebleicht, weshalb ihr der Gedanke durch den Kopf schoss, dass sie eher einem Gänseblümchen denn einer Schlüsselblume glich. Dann besann sie sich ihrer Manieren und knickste.
»Johanna Schale, Herr.« Kaum hatte sie es ausgesprochen, ahnte sie bereits, dass sie ihm den falschen Titel verpasst hatte.
»Ein hübscher Name für ein überaus hübsches Mädchen. Was für liebreizende gebräunte Arme!« Er beliebte wohl zu scherzen, denn nur Bauern waren sonnengebräunt. Modebewusste Damen besaßen blasse Haut, je blasser, desto besser. Er streckte den Finger aus, um einen Träger des Kleids an der Schulter anzuheben und fügte hinzu: »Und blasse Schultern.«
»Herr!« Da sie wusste, dass er nicht nur an Schultern dachte, wich sie hastig zurück.
Missbilligend runzelte er die Stirn. »Wer ist dein Vater, Johanna?«
»Mein Vater starb vor zwei Jahren. Ich bin das Mündel des Barons … Herr.« Rings um sie tummelten sich Pferde und Menschen, aber niemand schaute in ihre Richtung, ganz so, als wäre sie unsichtbar oder in einem fernen, verborgenen Verlies mit diesem Mann eingekerkert. Sie konnten oder wollten sie nicht sehen.
»Wie alt bist du?«
»Vierzehn, Herr.«
»Lebst du hier in der Burg?«
Sie nickte. Mittlerweile war sie zutiefst verängstigt.
»Dann werden wir einander während meines Aufenthalts ja noch besser kennen lernen.« Seine vollen Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Du weißt nicht, wer ich bin, oder? Lass mich dir ein Bild zeigen. Hier! Erkennst du mich nun?«
Zwischen Finger und Daumen hielt er eine Münze hoch, einen funkelnden, goldenen Kru. Zwar hatte sie Krus schon zuvor gesehen, aber selbst der Baron musste sie nur selten verwenden. Dieser Kru sah frisch geprägt aus, trugjedoch ein altes Bildnis, da er einen wesentlich jüngeren Großherzog zeigte.
»Ich bitte Euer Hoheit um Verzeihung!« Damit versuchte sie in ihrem Bauernkittel einen Knicks, der eines Ballsaals würdig war.
Er beugte sich hinab, um sie aus dem Knicks zu erheben, indem er eine weiche Hand um ihren Oberarm schloss. »Dir ist bereits vergeben, Johanna. Ich hoffe, wir können Freunde sein, während ich hier verweile und die gefeierte Gastfreundschaft deines Vormunds genieße. Vielleicht überlasse ich dir dieses Bild von mir, wenn ich aufbreche, was hältst du davon? Gleichsam als Erinnerung an unsere glücklichen gemeinsamen Stunden?« Er ließ sie nicht los, sondern hielt sie dicht vor sich und lächelte.
Was für glückliche Stunden hatte er im Sinn, dass er ihr Gold dafür anbot? War sie etwa eine Gossendirne, dass er sie so beleidigte?
Bevor ihr eine passende, aber höfliche Antwort einfiel
– die es vielleicht ohnehin nicht gab – kam der Baron höchstpersönlich in aller Eile über den Burghof gewatschelt. Offenbar hatte er sich überhastet in seine besten Kleider geworfen, denn sein Wams war noch nicht geschnürt und die Hose zerknittert. »Königliche Hoheit!« Er lüpfte die Mütze, um eine Verbeugung zu vollführen, wodurch er schütteres weißes und völlig zerzaustes Haar entblößte. »Was für eine Ehre! Hätten Euer Gnaden uns vorgewarnt, hätte Fadrenschloss ein herrliches Fest vorbereitet, um – geh und mach dich zurecht, Mädchen! – ein solch herausragendes Ereignis gebührend zu feiern. Aber wenn Hoheit uns doppelt ehren, indem Ihr Euren Besuch ein paar Tage verlängert…«
Johanna riss den Arm los und flüchtete.
Für einen herzoglichen Besuch war nur das Beste gut genug, aber Johannas Bestes war
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