Der Tanz des Maori (epub)
viel Kraft und Wut möglichst weit von sich wegschoss. So verging fast eine Stunde, in der Miriam immer angestrengter nach einem Zugang zu Junior suchte. SchlieÃlich lieà sie den Ball einfach liegen, lächelte mich müde an und verschwand im Haus. Ich blieb alleine mit Junior, der tatsächlich anfing, mir diesen Ball zurückzuspielen. Als es dämmerte, ging ich mit ihm ins Haus â und bemerkte erst jetzt, dass Miriam uns die ganze Zeit vom Fenster aus zugesehen hatte. Sie sah mich kopfschüttelnd an. »Vielleicht ist es ja richtig, dass mein Kind bei der Geburt gestorben ist. Ich kann mit so einem kleinen Wesen doch gar nicht umgehen. Bei dir lächelt Junior sogar hin und wieder, bei mir tut er das nie.« Sie seufzte. »Ich lasse ihn am besten in Zukunft in Ruhe!«
Erschrocken sah ich sie an. »Das darfst du nicht sagen! Man darf nie aufhören, um das Herz eines so kleinen Jungen zu kämpfen. Du darfst nicht vergessen, was er verloren hat, da ist es doch kein Wunder, dass er etwas länger braucht, bis er wieder Zutrauen fasst. Und mit mir â das ist doch verständlich. Ich habe jeden Tag seit seiner Geburt mit ihm verbracht. AuÃerdem ⦠hast du Ava nicht versprochen, dass du dich um ihren Sohn so kümmern würdest, als sei er dein eigen Fleisch und Blut?«
Miriam lieà sich von meinen Worten nicht umstimmen. Sie beharrte darauf, dass sie einfach keinen Zugang zu kleinen Kindern finden würde. Am Ende wollte sie nicht einmal mehr mit mir diskutieren. Sie wickelte sich einfach in ihren dunkelgrauen Schal und sah an mir vorbei aus dem Fenster, ohne mir zu antworten. Ja, sie war krank â und Junior hatte es nicht geschafft, sie aus ihrer dunklen Stimmung zu befreien. Ich denke sogar, dass er ihre Krankheit bemerkt und sich deswegen so nachdrücklich von ihr zurückgezogen hat. Kinder sind gut darin, sich vor zu viel negativen Einflüssen zu schützen.
Als ich Miriam schlieÃlich allein lieÃ, um den um sich schlagenden Junior ins Bett zu bringen, hatte ich das Gefühl, Miriam endgültig verloren zu haben.
Vor Juniors Zimmer traf ich auf Angus, der unwirsch auf die Tür deutete. »Hört der auch mal auf zu heulen?«
Ich zuckte mit den Achseln. »Er würde schneller aufhören, wenn wir ihn trösten dürften. So ist er einsam.«
Ein heftiges Kopfschütteln war die Antwort. »Blödsinn. Ihn darf nichts mehr an sein altes Leben erinnern.« Er dachte kurz nach. »Er soll ab sofort bei seinem richtigen Namen genannt werden. Es ist doch lächerlich: John senior ist schlieÃlich tot, wir müssen seinen Sohn nicht Junior nennen. Ruft ihn John, so wie er getauft ist!«
»Wenn wir Pech haben, dann nehmen wir ihm damit die letzten Wurzeln«, wagte ich zu widersprechen.
Angus lächelte mich von oben herab an. »Immer einen Widerspruch auf den Lippen, was? Kaum zu glauben, dass du meine Angestellte bist â¦Â« Er klang, als ob er einen Besitzanspruch auf mich hätte.
Ich wollte an ihm vorbeigehen, um in mein Zimmer zu kommen. Er bemerkte meine Absicht, hob die Hand und strich wie unbeabsichtigt über meine Brust. Ich sog scharf die Luft ein â was für eine Unverschämtheit! Er bemerkte meine Reaktion, grinste zufrieden und gab mir den Weg frei â nicht ohne auch noch über mein Gesäà zu streicheln.
Mit hochrotem Kopf rannte ich die Treppe nach oben. Was sollte ich nur tun? Für Junior war ich der einzige Halt, der einzige Mensch, dem er wenigstens ein bisschen vertrauen konnte. Aber unter einem Dach mit diesem Teufel? Schon beim Gedanken daran bekam ich eine Gänsehaut.
Für eine Nacht wollte ich wenigstens meine Ruhe. Meine Ruhe von der traurigen Miriam, die sich in ihrem Zimmer vergrub, und dem nächtlichen Geheule des kleinen Junior, der sich nach seiner Mutter sehnte.
Ich legte mir meinen wollenen Umhang um die Schultern und rannte zu meinem Heimatdorf. Es lag fast eine Stunde entfernt, aber ich wollte an diesem Abend unbedingt noch mit einem warmherzigen Menschen sprechen.
Anaru war nicht im Mindesten von meinem Besuch überrascht. Er umfing mich mit seinen starken Armen und küsste mich. So leidenschaftlich hatte ich ihn noch nie erlebt. Er sah mich mit funkelnden Augen an: »Ich bitte dich, heirate mich! Ich verdiene genug für uns zwei, wir werden ein glückliches Leben haben, das verspreche ich dir!«
Es klang so wunderbar, so
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