Der Tanz des Maori (epub)
für den Augenblick dafür, dass ich so ziemlich alles vergaà und es mir reichlich egal war, für wen ich eigentlich arbeitete. Ich wusste nur noch eins: Ich mochte dieses Gefühl, und ich liebte meinen Anaru. Und beides wollte ich nie mehr aufgeben â¦
In dieser Nacht bin ich erst in der Morgendämmerung in das Haus der MacLagans zurückgekehrt. Es lag still im Mondlicht. Junior hatte sich wahrscheinlich irgendwann in den Schlaf geweint, Miriam sagte ohnehin nur noch selten etwas â und mit ein bisschen Glück war Angus nicht mehr zu Hause, sondern längst wieder in Westport bei seinen Huren. Ich hatte meinen Frieden, als ich mich endlich schlafen legte.
24.
Es war, als hätte Junior bei meinen Gesprächen mit Anaru mitgehört. Er klammerte sich in den nächsten Tagen immer noch mehr an mich. Miriam war wieder in ihrer eigenen, dunklen Welt gefangen, sie bemühte sich nicht einmal mehr, ihren Ziehsohn zu erreichen. Wenn ich versuchte, sie zu einem Spiel mit ihm zu bewegen, winkte sie nur mit einer müden Handbewegung ab. »Er will mit mir nichts zu tun haben, warum sollte ich ihn also mit meiner Gegenwart quälen? Kümmere du dich um ihn â¦Â«
Das tat ich auch. So war ich gezwungen, zu sehen, wie Angusâ Besuche in seinem eigenen Haus wieder häufiger wurden. Den Grund erfuhr ich bei einem Marktbesuch.
An einem windigen Herbsttag wollte ich nur ein wenig Fisch und SüÃkartoffeln kaufen. Vor dem Händler standen eine ganze Menge Hausfrauen und Hausmädchen herum, offenbar war ich nicht die Einzige, die heute hier kaufen wollte. Ich stellte mich geduldig an, als mich eine der älteren Frauen an die Schulter tippte.
»Du da! Du arbeitest doch für MacLagan, oder nicht?«
Ich nickte nur.
»Hat er denn jetzt wirklich Arbeiter gefunden, die bereit sind, in Matakite zu arbeiten?«
Ich hatte nicht einmal geahnt, dass Angus die Mine wieder öffnen wollte. Obwohl es naheliegend war. Die Preise für Kohle stiegen immer noch mit jedem Monat, und Matakite war eine lukrative Mine gewesen. Zumindest bis zu dem Unglück.
Die Frau blickte mich immer noch fragend an. Ihr breites Gesicht sah verwittert aus. Geplatzte, rote Ãderchen, gelbliche Augen. Sie war nicht gesund.
»Master MacLagan redet mit mir nicht über seine Geschäfte«, wich ich aus. »Ich weià auch nichts über eine Wiedereröffnung von Matakite. Es tut mir leid!«
»Mein Sohn ist aus dieser Mine noch rechtzeitig entkommen«, erklärte sie mit erhobener Stimme, damit auch wirklich jede Frau in der Schlange davon erfuhr. »Wer so wahnsinnig ist, sich noch einmal auf diese Mine einzulassen, könnte gleich Selbstmord begehen.«
»Wieso?«, widersprach eine der Frauen. »Dieser geldgierige Denson ist doch tot, seine Witwe ist verschwunden â und Angus MacLagan führt die Mine womöglich besser, als es sein Kompagnon getan hat.«
»Auf der Mine liegt ein Fluch«, flüsterte ein älteres Hausmädchen, eine Maori wie ich. »Die Toten wurden nicht alle aus ihr geborgen, das kann nichts Gutes bedeuten.«
»Was auch immer«, nickte die Frau, die mich zuerst angesprochen hatte. »Wenn deine Herrschaft dich doch einmal nach deiner Meinung befragen sollte, dann kannst du ihnen ausrichten, dass niemand in Matakite arbeiten will. Die Maoris nicht, weil sie an einen Fluch glauben. Und die WeiÃen nicht, weil sie schlau genug sind, sich nicht in Gefahr zu begeben!«
Ich nickte. Was sollte ich sonst tun? Immerhin hatte ich jetzt eine Erklärung, warum Angus wieder häufiger in Seddonville war.
Offensichtlich hatte er in den nächsten Wochen wenig Glück mit seiner Suche nach Arbeitern. Der einzige Vorarbeiter, der sich bei uns vorstellte, stand schon schwankend in der Tür, als ich ihm öffnete. »Ich habe gehört, dass Sie jemanden wie mich suchen?«
Ich meldete ihn bei Master Angus an, der ihn empfing â und zu meinem Entsetzen auch einstellte. Offenbar musste Angus wirklich jeden nehmen, der die Bereitschaft zeigte, bei ihm zu arbeiten. Keine groÃe Ãberraschung: Die Kohleindustrie erlebte einen Aufschwung, die Coal Company stellte jeden fähigen Mann ein, dessen sie habhaft werden konnte. Sie verabschiedete sich allerdings allmählich von den traditionellen Minen und fingen an, die Kohle im Tagebau zu fördern. Die Gefahr für alle Beteiligten war so sehr viel geringer.
Die
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