Der Tanz des Maori (epub)
»Motel â Vacancy«. Minuten später saà er in einem schmucklosen Hotelzimmer. Auf einem kleinen Tisch stapelten sich die Prospekte, die die Schönheiten der Westküste anpriesen. Daneben eine abgegriffene Fernbedienung, eine Bibel und ein Telefon. Er sah sinnend den Hörer an. Ob er Sina doch anrufen sollte? Aber was konnte er seiner Freundin schon sagen? Ihm tat sein plötzlicher Aufbruch schon fast leid, aber er wusste immer noch nicht, ob er ihre Geschichte glauben sollte, oder ob er sie für die ungeheuerlichste Lüge des Jahrhunderts hielt. Er verwarf den Gedanken an einen Telefonanruf und merkte gleichzeitig, dass er einen gewaltigen Hunger hatte. Zum Glück bot das kleine Diner, das neben dem Motel lag, Essen rund um die Uhr an.
Die Bedienung musterte ihn neugierig, als er das leere Diner betrat und nach einem Stück Quiche mit Salat fragte. Als sie ihm den Teller mit dem in der Mikrowelle aufgewärmten Lauchkuchen hinschob, konnte sie sich wohl nicht mehr beherrschen.
»Du bist aber kein Tourist, oder?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, aus Christchurch.«
»Und â gefällt dir die Gegend hier? Bist du auf Urlaub?«
Er schüttelte den Kopf. »Urlaub? Sicher nicht.«
»Was dann?« Sie hatte ein Opfer gefunden und war offensichtlich wild entschlossen, dass er ihre langweilige Schicht ein wenig interessanter machen konnte. Brandon warf ihr einen Blick zu. Sie sah hübsch aus. Rote Locken, hellblaue Augen, blasse Haut. Er zuckte mit den Achseln. Ein bisschen Unterhaltung war besser, als ein einsamer Abend vor dem Fernseher. »Ich will rauskriegen, ob eine Geschichte, die ich gehört habe, wahr ist«, sagte er schlieÃlich.
»Warum hast du denn Zweifel?« Sie setzte sich zu ihm, die Tür im Blick, um andere Kunden rechtzeitig zu sehen.
»Es ist so unwahrscheinlich â es ist eine Geschichte über meinen GroÃvater, von der ich mir nicht vorstellen kann, dass sie stimmt. Und sie muss vor sechzig Jahren hier in der Gegend passiert sein.« Ihm war nicht klar, warum er dieser Frau so viel anvertraute.
»Wer war es denn?« Sie sah sein überraschtes Gesicht und lachte. »Ich will mit meiner Frage nicht unverschämt sein, aber meine Familie lebt schon seit über hundert Jahren an diesem Fleck. Meine GroÃmutter hat immer viel erzählt, es kann also sogar sein, dass ich dir weiterhelfen kann.«
Neugierig geworden sah Brandon sich um. Tatsächlich, das kleine Haus, in dem das Diner untergebracht war, sah schon ziemlich betagt aus. »Ihr lebt aber nicht mehr hier?«, fragte er nach.
»Nein.« Sie deutete in das Dunkel hinter dem kleinen Haus. »Wir haben am Ende des Gartens ein modernes Häuschen. Aber dieses alte Ding hier zieht viele Touristen an. Man sieht unserem Häuschen an, dass es schon seit der Pionierzeit Neuseelands steht und schon viel erlebt hat. Und meine Mutter erzählt dann immer gerne die Geschichte von Oma, die hier in den Zwanziger- und DreiÃigerjahren eine ziemliche Berühmtheit war.«
»Wie hieà sie denn?«
Der Rotschopf lachte. »Das sage ich dir erst, wenn ich weiÃ, wie dein GroÃvater hieà â¦Â«
»George Cavanagh.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Nie gehört.«
Brandon lieà es auf einen Versuch ankommen. »Angus MacLagan?«
Jetzt zog sie eine Augenbraue hoch und sah ihn fragend an. »Hatte dein GroÃvater etwa zwei Namen?«
Brandon lachte. »Das weià ich nicht. Es kann auch sein, dass die beiden Namen von völlig unterschiedlichen Männern sind. Jetzt sag schon: Kennst du diesen Angus?«
»Ich nicht«, schüttelte die Frau den Kopf. »Aber meine GroÃmutter hat oft von ihm erzählt. Er war wohl wirklich berühmt-berüchtigt hier. Ein Mann, der atemberaubend gut aussah und dafür gesorgt hat, dass alles zu seinen Gunsten lief.«
»Und was hatte deine GroÃmutter mit ihm zu tun? AuÃerdem musst du mir jetzt verraten, wie sie hieÃ!«, beharrte Brandon.
»Eloise. Sie kam aus Frankreich hierher.« Brandon runzelte die Stirn. Der Name war irgendwo in Sinas Geschichte aufgetaucht â er konnte sich nur nicht mehr erinnern, in welchem Zusammenhang. Hieà die Chefin des Bordells nicht so? Er war sich nicht sicher.
»Was hat sie denn gemacht?«, fragte er.
»Sie war eine echte Kräuterhexe. Sie hat vor allem den Frauen hier in der Gegend geholfen.
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