Der Tanz des Maori (epub)
Geduld haben. Ich kann mir vorstellen, dass er in deiner Freundin schon die Miterbin seiner Reederei sieht. Es könnte ja sein, dass er deswegen besonders misstrauisch ist.«
»So ein Blödsinn«, ereiferte Brandon sich. »Sina ist wahrscheinlich auf dieser Insel das einzige Mädchen, das keine Ahnung hatte, dass ich eine gute Partie bin.«
»Unterschätze mich nicht«, lachte Sina. »Ich habe auf einen Blick gesehen, dass du mit deinen ausgewaschenen Jeans, dem verbeulten Hillman und den geflickten Schuhen nur versuchst, dein Erbe zu verbergen. Erbschleicher wie ich â¦Â« Der Rest des Satzes ging in Gelächter unter, während Brandon versuchte, ihr den Mund zuzuhalten.
Ganz allmählich fühlte Sina sich in dem groÃen Garten mit dem atemberaubenden Blick auf den Pazifik wohl. Sie vergaà den eigentümlichen Empfang durch den Alten, der sie zwar immer wieder mit einem finsteren Blick musterte, aber sonst jedem Gespräch mit ihr aus dem Weg ging.
Sie genoss die saftigen Fleischstücke und das kalte Bier, das es bei diesem Sommerfest gab. Etwas später am Nachmittag tauchten auch noch Brandons Eltern auf. Sein Vater, ein dunkler Typ, der Brandon nicht im Mindesten ähnlich war, gab ihr die Hand und sah ihr in die Augen. Was er sah, schien ihm zu gefallen. »Nenn mich einfach Ewan!«, erklärte er und deutete auf eine sportliche Frau mit kurzen Haaren. »Und das hier ist Brandons Mutter, Dolores!«
Mit einem Schlag wurde Sina klar, wem Brandon ähnlich sah. Ganz sicher nicht seinem Vater â stattdessen sah seine Mutter mit den leicht unordentlichen dunkelblonden Haaren und den ausdrucksvollen grauen Augen ihrem Sohn geradezu absurd ähnlich. Sina strahlte sie an. »Offensichtlich haben Sie durchschlagende Gene!« Sie sah sich suchend um. »Und ich könnte schwören, dass ich einen Strauà Blumen für Sie dabeihatte, als ich hier angekommen bin. Aber irgendwie muss mir das Ding auf dem Weg abhandengekommen sein.«
Dolores lachte. »Wahrscheinlich hat die unglaublich tüchtige Haushälterin meines Schwiegervaters den Strauà schon lange in eine Vase geräumt. Wir fragen sie am besten später danach. Fiona sieht immer, was zu tun ist â¦Â«
Dolores wirkte so herzlich und fröhlich, dass Sina sich endgültig entspannte. Jeder war fröhlich, es gab keinen Grund, lange über George Cavanagh nachzugrübeln. Männer über achtzig waren nun einmal ab und an etwas wunderlich. Sie nahm einen groÃen Schluck von ihrem Bier. Selbst wenn der alte Cavanagh sie nicht leiden konnte, gab es immer noch genug Menschen, mit denen sie sich sofort verstanden hatte. Sie drehte sich um und sah auf die malerische Bucht hinunter. Allmählich wurde es Abend, und die Boote hatten ihre Positionsleuchten gesetzt, die sich jetzt in den Wellen spiegelten.
»Ich glaube Ihnen nicht!« Wie aus dem Nichts tauchte neben ihr George Cavanagh auf. Den Satz spuckte er aus, als hätte er schon den ganzen Nachmittag darauf herumgekaut. Seine Augen konnte sie bei der zunehmenden Dämmerung nicht sehen. »Sie haben meinen Enkel gesucht und wollen sich jetzt rächen. Nach so vielen Jahren!«
Sina sah sich um. Brandon stand nur wenige Meter entfernt und wedelte in einer Diskussion mit einem halb abgegessenen Maiskolben. Er sah nicht zu ihr herüber und merkte nicht, dass sein GroÃvater sie plötzlich alleine erwischt hatte.
Der Alte musterte sie immer noch. Sina schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Ich bin das erste Mal in meinem Leben in Neuseeland. Und meine Familie ist auch noch nie hier gewesen. Mein GroÃvater ist Arzt in Berlin, da hatte er wohl kaum Zeit, um auf Abenteuerfahrt hierherzukommen.«
Für eine Sekunde schien der alte Cavanagh zu zögern. Dann redete er mit unvermindertem Zorn weiter. »Mir können Sie nichts erzählen! Ich werde dafür sorgen, dass Brandon Sie nicht mehr trifft, egal was Sie behaupten! Merken Sie sich meine Worte: Finger weg von meiner Familie!«
Mit diesen Worten verschwand er wieder im Schatten des Gartens. Sina sah ihm verblüfft hinterher. Dieser alte Mann war doch eindeutig nicht ganz bei sich! Sie war nun wirklich nicht hinter dem Erbe seines Enkels her â so verlockend fand sie eine Reederei am Ende der zivilisierten Welt nun auch wieder nicht. Als Ãrztin hatte sie es zudem gar nicht nötig, sich von
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