Der Tanz des Maori (epub)
unseren fröhlichen Lebensstil bekannt. Aber ich habe immer ein bisschen die Ruhe dahinter vermisst. Und genau das bist du für mich: Ein ruhender Pol.« Er nahm ihre Hand und küsste sie sanft.
Sina schnürte es bei diesen Worten fast den Hals zu. Ihr ganzes Leben lang war ihr immer ihre nüchterne, ruhige Art vorgehalten worden. Zu ernsthaft, zu streberhaft â aber alle Menschen hatten sie immer trotz ihrer ganz eigenen Art geliebt.
Und jetzt war völlig aus dem Nichts ein Mann aufgetaucht, der sie gerade wegen ihrer spröden Art mochte. Eine nagende Stimme in ihr fragte nach, was auf der anderen Seite Brandon für sie so anziehend machte. War es nicht nur der Exotik-Effekt? Ein gutaussehender Mann im Urlaub, in einer Höhle an einem verlassenen Strand? Innerlich schüttelte sie den Kopf. Nein, das war es nicht. Sie mochte Brandon wegen seiner geradlinigen Art. Er schien keine Schnörkel und keine Umwege auf dem Weg zu seinem Ziel zu kennen. Keine Spielchen. Sie atmete leise aus. Bei diesem Mann musste man nicht ständig mit angehaltenem Atem auf die nächste Katastrophe warten. Hoffentlich. Sie schickte ein leises StoÃgebet gen Himmel, dass sie sich nicht irrte. Oder sich nicht doch noch etwas zwischen sie und ihr neu gefundenes Glück stellte.
Brandon sah sie erwartungsvoll an. Er wartete wohl immer noch auf eine Antwort auf seine nicht gestellte Frage. Ihr Herz war übervoll, aber sie brachte kein einziges Wort über die Lippen. Stattdessen zog sie noch einmal sein Gesicht an das ihre und küsste ihn lange und hingebungsvoll. Das musste als Antwort reichen. Zumindest für den Anfang.
6.
Fiona strich noch einmal über ihre gestärkte Schürze und lieà ihre Augen prüfend über den langen Tisch gleiten. Dicht an dicht standen da grüne Salate, Schalen mit eingelegtem Gemüse, Mais und SüÃkartoffeln, die nur darauf warteten, auf den Grill gelegt zu werden. Ebenso das Fleisch, die Würste und der frische Fisch. Alles stand unter einem alten, verwitterten Pohutukawa-Baum, der mit seinen dunklen Blättern für Schatten sorgte. Der leicht abfallende Garten bot einen wunderbaren Blick über Charteris Bay, ein paar Boote schaukelten gemächlich in der leichten Brise. Sie lächelte und trat neben den alten Mann, der sehr aufrecht auf seiner Terrasse stand und auf seine Besucher wartete.
»Das hat er noch nie gemacht!«, bemerkte sie. »Zumindest nicht mehr, seitdem er erwachsen ist.«
»Nein. Brandon war immer der Meinung, dass ich seine Freundinnen erst sehen muss, wenn er sich sicher ist, dass es etwas Ernstes ist. Offensichtlich ist es jetzt das erste Mal so weit.« Der alte Mann hatte eine überraschend tiefe und kräftige Stimme. Seine breiten Schultern waren durch das Alter nur ein wenig nach vorne gesackt, die Falten um seine Augen rührten wohl eher vom häufigen Aufenthalt im Freien als vom ständigen Lachen. Er würdigte seine Haushälterin keines Blickes. »Hat er dir denn irgendetwas von diesem Mädchen erzählt? Eine deutsche Studentin, ich weià â aber aus welcher Familie kommt sie? Wo haben sich die beiden kennengelernt?«
Fiona war an die schroffe Art ihres Chefs gewöhnt und antwortete ihm, ohne sich deshalb zu bekümmern.
»Ãber die Familie weià ich nichts. Ich glaube auch nicht, dass Brandon sie groà ausgefragt hat. Solche Dinge sind ihm immer sehr egal. Kennengelernt haben sie sich in Port Levy. Erinnerst du dich nicht? Brandon hat da vor ein paar Wochen mit Marvin und Paula einen Ausritt gemacht. Das Mädchen hat da wohl gearbeitet â¦Â«
»Auf einer Pferdefarm. Wenn man das nötig hat â¦Â« Mürrisch beendete der alte Mann seinen Satz nicht einmal.
»Jetzt freu dich erst einmal auf unser Fest!«, versuchte Fiona seine schlechte Laune ein wenig zu mildern. »Immerhin sind Marvin und Paula hier, dazu ein paar Freunde vom Golfclub â und die drei Kapitäne, die gerade im Heimathafen liegen. Das wird bestimmt ein wunderbarer Nachmittag. Und wer weià schon, was aus Brandons Freundin wird. Vielleicht ist es ja nur ein kleines Sommer-Strohfeuer, das schnell vergangen ist.«
»Hoffentlich«, knurrte der Alte, immer noch nicht mit den Neuigkeiten des Tages versöhnt. »Ich mag keine Deutschen!«, schickte er wie eine Erklärung hinterher.
Er sah auf seine Uhr und schob die Unterlippe etwas nach vorne.
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