Der Tanz des Maori (epub)
mit der Vergangenheit zu tun haben könnte. Sie müssen es doch wissen: Hatte Ava vielleicht mit einem George Cavanagh zu tun?«
Jetzt war es an Ruiha, ihren Kopf zu schütteln. »Cavanagh? Nie gehört. Aber das Schicksal nimmt hin und wieder merkwürdige Wege. Nur eines ist sicher: Es wird dich immer zum Ziel führen.«
Sie schenkte sich noch ein wenig Wein in ihr Glas und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sinnend sah sie in das Kerzenlicht. »Aber vielleicht fange ich am besten ganz am Anfang an â¦Â«
8.
Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem John Denson meine Eltern besuchte. Wir waren eine einfache Familie, lebten in einem kleinen Dorf, in dem wir Maoris unter uns blieben. Die WeiÃen waren bestimmt keine schlechten Menschen, aber sie waren ganz anders als wir. Andere Sitten, andere Bräuche und andere Lieder. Mein Vater arbeitete immer nur so lange für einen der WeiÃen, bis er wieder genug Geld hatte, um uns für ein paar Monate das Auskommen zu sichern. Dann ging er lieber wieder zum Fischen oder Muschelsammeln. Immerhin: Er schickte mich und meine Geschwister in die kleine Schule, die der Pfarrer für uns »Wilde« eröffnet hatte. »Ihr müsst schreiben und rechnen lernen, sonst bringt ihr es in dieser neuen Welt nie zu etwas«, sagte er immer und rollte dabei seine Augen, damit wir ihn auch wirklich ernst nahmen.
Ich ging gerne zur Schule. Die Geschichten in den Büchern haben mir gut gefallen, da war immer von Heiligen die Rede, die dafür sorgten, dass es uns allen gut ging. Auch das Rechnen fiel mir leicht. Ich glaube, ich war eine gute Schülerin.
Auf jeden Fall empfahl der Pfarrer mich an Master John, als der ein Hausmädchen suchte. Und so klopfte es irgendwann im Frühling an unserer Tür. DrauÃen herrschte strahlender Sonnenschein, ich spielte gerade mit meinem kleinen Bruder auf der Wiese, als Denson ankam. Er war nicht sonderlich groÃ, hatte aber sehr breite Schultern. Sein mächtiger Bart flöÃte allen Respekt ein â die Männer in meinem Volk trugen nie Haare im Gesicht. Eigentlich tun sie das bis heute nicht ⦠aber das hat nichts mit meiner Geschichte zu tun. Als Denson klopfte, öffnete meine Mutter. Ich war neugierig â das bin ich bis heute â und schlich mich schnell an ein offen stehendes Fenster. Was konnte dieser Mann nur von meinen Eltern wollen? Ich konnte Denson leicht verstehen, er hatte eine laute Stimme.
»In ein paar Wochen kommt meine zukünftige Frau aus Deutschland an«, erklärte er. »Sie braucht jemanden, der ihr zur Hand geht, sie hat noch nie einen Haushalt alleine geleitet. Pfarrer Rose hat mir Ihre kleine Ruiha empfohlen. Er meint, sie stellt sich sehr geschickt an.«
»Sie kann sogar schreiben und rechnen«, erklärte meine Mutter stolz. »Ruiha ist ein ganz besonders kluges Mädchen.«
Denson nickte. »Das ist gut! Wann kann sie denn bei mir anfangen? Sie sollte sich in meinem Haus auskennen, bevor meine zukünftige Frau ankommt.«
Ich konnte es einfach nicht glauben. Meine Eltern gaben mich einfach in den Dienst eines völlig fremden Mannes â und sie fragten mich nicht einmal um meine Meinung! Sicher, ich wusste, dass ich bald anfangen sollte, zu arbeiten. Aber nie und nimmer habe ich damit gerechnet, dass es so bald sein würde! Immerhin war ich erst vierzehn, ich war noch ein Kind, das mit aufgeschürften Knien und einem einfachen Leinenkleid zum Spielen durch die Wälder rannte. Und überhaupt: Durfte ich weiter zu meinem Unterricht? Ich wusste längst noch nicht genug, um in der Welt der WeiÃen zurechtzukommen. Tatsächlich hörte ich gar nicht mehr, was Denson weiter mit meinen Eltern besprach, so wütend war ich. Ich merkte nicht einmal, dass er ging â bis meine Mutter nach mir rief.
Ich setzte mein wütendstes Gesicht auf, als ich zu ihr ging. Sie musterte mich und legte mir dann mit einem Seufzer eine Hand auf meinen Kopf. »Mein Schatz, du hast schon wieder am Fenster gelauscht.«
Ich nickte â und brach sofort in wildes Schluchzen aus. »Ihr wollte mich weggeben, einfach so. Ohne mich zu fragen! Was, wenn ich aber einfach nicht zu diesem Mann will? Wenn ich ihn nicht leiden kann?«
Meine Mutter schüttelte traurig den Kopf. »Wir können es uns nicht leisten, so viele Kinder nur von dem Geld, das dein Vater verdient, durchzufüttern.«
»Dann soll er
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