Der tanzende Tod
war, damit wir ungehindert spielen konnten, musste sie geordert haben. Das Mädchen starrte uns eingehend an und hätte fast sein Tablett umgeworfen, als es dies auf einem Tisch abstellte.
»Pass auf«, sagte ich, indem ich mich in Geduld übte. Wahrscheinlich hatte sie Richards Ähnlichkeit mit mir und die meine mit ihm bemerkt und hatte nun Schwierigkeiten, damit umzugehen. Nun, Edmond hatte mich vor dieser Art von Dingen gewarnt. Müde fragte ich mich, ob ich schließlich jeden Bediensteten und jede Bedienstete auf dem Grundstück würde beeinflussen müssen, nur um uns die Komplikationen etwaigen Geredes zu ersparen. Schließlich huschte das Mädchen hinaus und warf zahlreiche Blicke zurück. Albernes Geschöpf.
»Schmeckt anders«, meinte Richard und äugte zweifelnd in seine Tasse.
»Das liegt daran, dass es vom Lande kommt. Die Eselinnen hier fressen besseres Futter als ihre Kusinen in der Stadt, also muss ihre Milch auch anders schmecken. Sie ist nicht sauer, nicht wahr?«
»Nein. Süß.«
»Dann mag die Köchin dich wohl und hat zu deinen Ehren zusätzlichen Honig hineingetan.«
Ich suchte mir einen geeigneten Sessel, setzte mir Richard auf den Schoß und las ihm vor, während er seine Milch trank. Beides wirkte wie ein Zauber; als ich ihm ein Viertel des Buches vorgelesen hatte, war er eingenickt.
Obgleich ich nach Mrs. Howard hätte klingeln und ihn ins Bett stecken sollen, verweilte ich noch ein wenig und hielt ihn im Arm.
Er war so kostbar. In jedem Sinne des Wortes und darüber hinaus, bis die Worte versagten, war er der kostbarste aller Schätze, welche ein großzügiger Gott mir je geschenkt hatte. Kostbar, allein um seinetwillen, aber auch, weil er mein Sohn war, das einzige wirkliche Vermächtnis meines Lebens als normaler Mann, wenn nicht gar das herzzerreißendste; denn wenn es sich als wahr herausstellen sollte, dass ich nicht alterte, würde ich ihn aller Wahrscheinlichkeit nach überleben. Vor mir lag die schreckliche Aussicht, dass ich jeden Menschen, den ich liebte, überleben würde. Noras Geschenk war kein reiner Segen, sondern konnte auch mit Fug und Recht als Fluch bezeichnet werden.
Sie hatte sich letzte Nacht sehr bemüht, mir dies bewusst zu machen.
Sobald Nora ihrer freudigen Überraschung über die Existenz des Knaben Ausdruck verliehen hatte, war sie wieder vollkommen nüchtern geworden und war schließlich abermals auf die grimmige Unvermeidlichkeit des bevorstehenden Seelenschmerzes zu sprechen gekommen.
»Warum bist du so eifrig darauf bedacht, mich traurig zu machen?«, hatte ich gefragt.
»Das bin ich nicht, aber ich erlebte dies, ohne darüber etwas zu wissen, und habe meine Unkenntnis immer bedauert. Nun, da ich es besser weiß, tue ich, was ich kann, um die Zeit mit denen, die ich liebe, zu würdigen, und ich rate dir dringend, es ebenso zu machen. Das Leben ist so verdammt vergänglich, und nicht alle Menschen sind in der Lage zu sehen, wie sorglos sie ihre wenigen Jahre vergeuden. Leere Banalitäten erfüllen ihre Tage, ihre Gedanken, ihre Taten, und bevor es ihnen bewusst ist, ist ihr Leben für immer vorbei und vergangen. Ich vergeude niemals Zeit mit zwecklosen Streitereien über Belanglosigkeiten, sondern halte mich lieber an die Freuden, die ich mit anderen teilen und anderen schenken kann, gleichgültig, wie groß oder klein sie sein mögen. Du darfst nie, niemals vergessen, über wie viel Zeit du im Vergleich zu den anderen verfügst.«
Also hielt ich meinen Sohn im Arm und sprach umgehend ein demütiges Dankgebet für Richards Existenz. Außerdem verlieh ich meiner Bitte um Gesundheit und Glück, auch in Zukunft, für meinen Sohn Ausdruck; und ich bat um die Weisheit, ihm beides nach besten Kräften zukommen lassen zu können. Als ich beim Amen angelangt war, hatte sich ein Tränenschleier über meine Augen gelegt. Schnüffelnd erhob ich mich und legte ihn sanft auf seinem Bette nieder, dann sah ich ihm eine Weile einfach beim Schlafen zu. Das Heben und Senken seiner Brust, das sanfte Pochen seines Herzens, die reine Durchsichtigkeit seiner Haut, all dies hielt mich gefangen, bis Mrs. Howard, wo auch immer sie sich befunden haben mochte, zurückkam und fragte, ob alles in Ordnung sei.
»Ganz hervorragend«, antwortete ich. »Er schlief direkt auf meinem Schoß ein.«
»Er hatte einen sehr geschäftigen Tag mit Mr. Oliver und Miss Elizabeth auf der Kaninchenjagd. Sie entdeckten zwar keine Kaninchen, aber ich glaube, es geschah mehr zur Übung und zum
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