Der tanzende Tod
Howard knöpfte ihn sich vor und zog ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche. Es folgte ein kurzer Kampf, als sie das Schlimmste zu entfernen versuchte, bevor die Flecken bis zu seinem Röckchen vordringen konnten. Sie musste ihm für diese Gelegenheit seine feinste Kleidung angezogen haben, sodass ihre Sorge, diese vor Schäden zu bewahren, zutiefst verständlich war. Dies erinnerte mich an meine eigenen Leiden im Kinderzimmer und daran, wie glücklich ich gewesen war, meine Kinderröckchen gegen meinen ersten Knabenanzug eintauschen zu können. Er befand sich noch mindestens zwei Jahre von diesem glorreichen Übergangsritus entfernt. Ich fragte mich, ob er die ganze Nacht wach liegen würde, wie ich es getan hatte, zu aufgeregt vor Vorfreude, um zu schlafen.
»Du scheinst mir so nachdenklich, kleiner Bruder.«
»O nein, überhaupt nicht. Ich habe nur zugesehen.«
Nachdem sie ihre Pflicht erledigt hatte, forderte Mrs. Howard Richard auf, uns gute Nacht zu sagen. Er gehorchte mit einem beträchtlichen Zögern, aber ich war der Ansicht, dass dies weniger damit zusammenhing, aus unserer Gesellschaft scheiden zu müssen, als mit einem natürlichen Widerstreben, den Tag zu beenden und schlafen zu gehen. Mrs. Howard nahm ihn an die Hand und führte ihn in Richtung des anderen Zimmers. Sie hatten gerade die Tür erreicht, als er sich mit einem Aufschrei von ihr losriss und zu der Stelle sauste, an der er sein Spielzeugpferd zurückgelassen hatte. Er ergriff es fest mit beiden Händen, drückte es eng an seinen Körper und marschierte zurück.
Dann hielt er inne, drehte sich um, sah mich direkt an und ließ ein wahrhaft diabolisches Grinsen aufblitzen.
Dann war er fort.
Mein Mund war aufgeklappt. Der Atem, der sich in meinen Lungen befunden hatte, verließ diese einfach, als habe er andere Angelegenheiten zu erledigen. Ich stand so sprachlos da, wie es nur möglich ist, ohne das Bewusstsein verloren zu haben, obwohl von einem solchen in meinem eingefrorenen Gehirn nur äußerst wenig zu erkennen war. Ich war mir vage bewusst, dass Elizabeth Oliver einige beifällige Worte zurief und er ihr antwortete, aber ich will verdammt sein, wenn ich ihre Worte zu unterscheiden vermochte.
Ich fühlte mich zur gleichen Zeit vollkommen leicht und vollkommen schwer, und selbst wenn mein Herz nicht länger schlug, hatte es gewiss einen gewaltigen Satz gemacht, als dieses außerordentliche Kind mich so angelächelt hatte. Meine Sicht verschwomm für ein, zwei Sekunden. Ich zwinkerte verwundert, um sie wieder zu klären, und fragte mich, was um alles auf der Welt mir los sei.
Und dann wusste ich es, so klar und deutlich, als sei ich von tausend Kerzen erleuchtet worden. Ich wusste in diesem Moment, dass ich den Jungen liebte. Den Jungen. Mein Kind. Meinen Sohn.
Einfach so.
»Jonathan?« Elizabeth drückte meinen Arm. »Stimmt etwas nicht?«
Ich schüttelte den Kopf ob ihrer Torheit. Und ob meiner eigenen. »Nichts. Absolut gar nichts.«
»Komm schon, Elizabeth, du musst etwas trinken, um die Begegnung mit deinem Neffen zu feiern«, meinte Oliver. »Da Jonathan mir schon keine Gesellschaft leisten kann, musst du seinen Platz bei einem Trinkspruch einnehmen.«
»Ich würde es gerne probieren, aber wenn du mir etwas Stärkeres als reines Wasser oder, noch besser, Tee gibst, werde ich hier auf der Stelle einschlafen.«
»Einschlafen? Nach alledem?«
»Besonders nach alledem.«
Wir waren in Olivers Salon zurückgekehrt, um dort festzustellen, dass das Feuer neu entfacht werden musste. Oliver scheute davor zurück, einen der Bediensteten damit zu beauftragen, und machte sich selbst an die Arbeit, da er zum Bersten mit Energie angefüllt war und das Bedürfnis hatte, sie loszuwerden. Er klingelte jedoch nach jemandem, der uns eine Erfrischung bringen sollte. Für sich selbst wählte er Portwein, und für Elizabeth bestellte er pflichtgemäß eine Kanne Tee.
»Du wirst später, wenn das Abendessen vorbei ist, damit überflutet sein«, warnte er sie, nachdem ein Dienstmädchen gekommen war, ein volles Tablett zurückgelassen hatte und wieder gegangen war.
»Ich bin in Versuchung, das Essen ganz ausfallen und mir etwas in mein Zimmer schicken zu lassen«, sagte sie, indem sie sich auf die Teekanne stürzte wie eine Katze auf eine Maus.
»Wie bitte? Du willst mich verlassen, sodass ich mich der restlichen Menschenmenge alleine stellen muss?«
»Es ist kaum eine Menschenmenge, Oliver. Es sind lediglich einige wenige ältere Tanten
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