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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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kamen, wurde mir angeläutet. Es ist alles in Ordnung. Sie schläft jetzt. Stören Sie sie nicht. Aber Fräulein Lemoyne hat leider nicht den Meister zu sehen bekommen. Er war abwesend. Er hatte zu tun. Trägt Fräulein Lemoyne eigentlich gerne kurze Ärmel? Nein? Nun, Sie werden sich mit dem Zeichen in der Ellbogenbeuge befreunden müssen. Sie wird es auch tragen…«
    »Das Hexenzeichen?« fragte O'Key atemlos.
    »Das Hexenzeichen!« Herr Martinet nickte lange und ausgiebig.
    »Eine Tätowierung! Ich habe es schon immer behauptet.«
    »Ja, Master O'Key, hier haben Sie die richtige Methode gebraucht. Pillevuit hat's mir erzählt. Sie haben zwar wieder geblufft und etwas von der Teufelskralle erzählt… Die Teufelskralle, die in den Hexenprozessen des Mittelalters eine große Rolle spielte. Aber hat je einer der Historiker der Hexenprozesse den einfachen Gedanken erfaßt, es könne sich bei diesem Teufelszeichen um ein Erkennungsmerkmal handeln, gewissermaßen um eine Mitgliedskarte des ›Vereins zur Hebung des Flugverkehrs auf den Blocksberg‹…«
    »Aber die gebündelten Drähte? Die gebündelten Drähte, die man in drei Fällen gefunden hat…«
    »Wenn Sie Geheimnisse vor mir haben wollen, mein Herr«, sagte Herr Martinet mit eisiger Verachtung, »dürfen Sie sich nicht versprechen. Ich weiß nur von zwei Fällen, bei denen die gebündelten Drähte gefunden worden sind: bei jenem Sekretär und beim Apotheker Eltester. Ist ein neuer Fall zu Ihrer Kenntnis gelangt?«
    »Das heißt… nein… oder…«
    »Geben Sie sich keine Mühe, O'Key. Ich habe so eine Ahnung, als sei heute abend noch etwas passiert – und Sie waren dabei. Sie haben Verschwiegenheit versprochen. Gut. Halten Sie Ihr Versprechen. Ich will Sie nicht drängen. Es geht dann alles im gleichen Aufwaschen. Wir sprachen von den Drähten. Nicht wahr, die Drähte paßten so gut zu der Theorie der intravenösen Injektion, der alte Professor hat ja selbst in diese Richtung gewiesen – begreiflich übrigens. Sie waren wohl nie neugierig genug, sich den Unterarm des Professors zeigen zu lassen? Nicht? Er hat oft versucht, falsche Spuren vorzutäuschen. Natürlich, Morphinisten gebrauchen derartige Drähtchen, um ihre Hohlnadeln zu reinigen. Aber Sie wissen doch sicher, gerade so gut wie ich, wie man tätowiert. Spielen da nicht auch Drahtbündel eine Rolle? Und nun gehen Sie weiter. Es ist doch unpraktisch, jedesmal den Ärmel zurückstreifen zu müssen, um das Erkennungszeichen zu zeigen. Wie leicht kann man für verrückt gehalten werden. Aber das Drahtbündel als Erkennungsmarke, denken Sie an meinen Mitgliedskartenvergleich, ist es nicht praktisch, unauffällig?«
    »So daß Sie, Herr Staatsrat…«
    »Jetzt werde ich Sie einmal historisch verblüffen. Um 1850 lebte in Münster ein Mechaniker namens Braunscheidt, der ein Kurpfuscher war. Um Nervenschmerzen zu heilen, nahm er ein Nadelbündel, stach damit in die schmerzende Stelle und rieb dann die leichtblutenden Wunden mit Krotonöl, einem ziemlich gefährlichen Hautreizmittel, ein. Durch diese Behandlung wurde die Stelle später dunkel pigmentiert. Diese Kur wurde dann nach dem Mechaniker Braunscheidtismus genannt. Und die Nadelbündel hießen ›Lebenswecker‹. Sie müssen immer eins bedenken, Verrücktheiten gehen nie verloren!«
    Herr Martinet gähnte laut und gründlich. Dann sagte er noch:
    »Wir wollen schlafen gehen, O'Key. Morgen, eigentlich sollte ich ›Heute‹ sagen, wird es einen anstrengenden Tag geben. Auf welche Zeit lautete die Einladung, die der Ma…, die Herr George Whistler erhalten hat?«
    »Auf fünf Uhr, morgen nachmittag.«
    »Nun ja, das ist ganz günstig. Rufen Sie mir den Patron, ich werde heute hier übernachten. Wenn ich jetzt heimginge, könnte es mir vielleicht passieren, daß ich mich um vier Uhr morgens auf der Place du Molard splitternackt wiederfinde. Und wissen Sie, ich bin für die Moral meiner Polizisten verantwortlich.«
    »Sie meinen, Herr Staatsrat…«
    »Ich meine nicht, ich weiß. Es ist diese Nacht bei meinem Freunde Whistler eingebrochen worden. Das gefällt mir nicht. Als Gegenzug ist zwar heute nachmittag beim Professor eingebrochen worden – aber, sicher ist sicher. Was ist los, O'Key?«
    O'Key hatte während des Gespräches in all seinen Taschen nach einem Schnupftuch gesucht. Jetzt stieß er plötzlich ein leises »Ah!« aus, zog seine Hand aus der Tasche, auf seinem Daumen bildete sich ein kleiner Blutstropfen. O'Key wurde bleich.
    »Schnell«,

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