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Der Tempel der vier Winde - 8

Der Tempel der vier Winde - 8

Titel: Der Tempel der vier Winde - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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sie so etwas nur tun? Wie bringen sie das fertig?«
    »Das ist die unaussprechliche Wirklichkeit des Krieges. Es gibt keine Verhaltensregeln außer denen, die der Aggressor aufstellt oder die der Sieger durchsetzen kann. Man kann sich dem entweder aussetzen, oder man kämpft dagegen.«
    »Könnt … könnt Ihr nichts tun, um diesen Menschen zu helfen?«
    »Nein«, erwiderte er leise. »Ich kann nur Euch helfen, aber ich werde keine wertvolle Zeit darauf verschwenden, es sei denn, Ihr seid es wert, gerettet zu werden. Die Opfer sind einen schnellen Tod gestorben. So fürchterlich er auch war, er trat rasch ein.
    Gewaltigen Menschenmengen, einem Vielfachen der Menschen, die hier in dieser Stadt gelebt haben, droht ein grausamer, qualvoller, langsamer Tod. Ich kann diesen Menschen hier nicht helfen, aber ich kann versuchen, jenen anderen zu helfen. Lohnt es sich, frei zu sein, ist das Leben lebenswert, wenn ich es nicht versuche?
    Der Zeitpunkt ist gekommen, an dem Ihr Euch entscheiden müßt, ob Ihr helfen wollt, ob Euer Leben lebenswert ist, ob Eure Seele, das Geschenk des Schöpfers, dies wert ist.«
    Bilder dessen, was sich oben im großen Saal und draußen auf den Straßen abspielte, was der ganzen Stadt angetan wurde, schossen ihr durch den Kopf. Sie fühlte sich, als wäre sie bereits tot. Wenn ihr die Gelegenheit geboten wurde, anderen zu helfen und ein neues Leben anzufangen, dann mußte sie sie ergreifen. Dies war die einzige Chance, die sie bekommen würde. Das wußte sie. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und schließlich auch das Blut vom Kinn. »Ja, ich werde Euch helfen. Ich schwöre bei meiner Seele, daß ich tun werde, was Ihr verlangt, wenn es eine Chance bedeutet, Leben zu retten, eine Chance, frei zu sein.«
    »Selbst wenn ich etwas von Euch verlange, vor dem Ihr Euch fürchtet? Selbst wenn Ihr glaubt, Ihr werdet dabei sterben?«
    »Ja.«
    Als sie sein warmes Lächeln sah, wurde ihr leichter ums Herz. Überraschend zog er sie an sich und nahm sie tröstend in den Arm. Sie begann abermals zu weinen.
    Nathan legte ihr den Finger auf die Lippen, und sie verspürte das warme Gefühl, daß jemand zu ihr hielt. Die Erinnerung an das Gesehene verlieh ihr die Entschlossenheit, diesen Verbrechern Einhalt zu gebieten und sie daran zu hindern, andere mit gleichen Greueltaten heimzusuchen. Ihre Gedanken waren von der Hoffnung erfüllt, etwas Bedeutsames tun zu können, das auch anderen Menschen die Freiheit bringen würde.
    Clarissa betastete ihre Lippe, nachdem Nathan seine Hand zurückgezogen hatte. Sie pochte nicht mehr. Die Wunde um den Ring war verheilt.
    »Danke – Prophet.«
    »Nathan.« Er strich ihr übers Haar. »Wir müssen gehen. Je länger wir bleiben, desto größer die Gefahr, daß wir nicht mehr entkommen.«
    Clarissa nickte. »Ich bin bereit.«
    »Noch nicht.« Er nahm ihre Wangen in seine großen Hände. »Wir müssen durch die Stadt gehen, durch die ganze Stadt, um von hier zu fliehen. Ihr habt schon zuviel gesehen. Ich möchte nicht, daß Ihr noch mehr seht oder hört. Wenigstens das will ich Euch ersparen.«
    »Aber ich verstehe nicht, wie wir jemals an der Imperialen Ordnung vorbeikommen sollen.«
    »Das laßt nur meine Sorge sein. Erst einmal werde ich Euch mit einem Bann belegen. Ihr werdet blind sein, damit Ihr nicht noch mehr von dem Leiden und Sterben seht, das Eure Stadt über sich ergehen lassen muß, und Ihr werdet taub sein, damit Ihr auch nichts davon hört.«
    Vermutlich hatte er Angst, sie könnte in Panik geraten und sich verraten. Sie wußte nicht, daß er sich damit vielleicht irrte.
    »Wenn Ihr meint, Nathan. Ich werde tun, was Ihr verlangt.«
    Er stand dort im Dämmerlicht, zwei Stufen unter ihr, damit sein Gesicht sich auf gleicher Höhe mit ihrem befand, und lächelte sie voller Wärme an. Denn so alt er war, er war ein auffallend gutaussehender Mann.
    »Ich habe die richtige Frau ausgewählt. Ihr werdet Eure Sache gut machen. Ich bete, daß die Guten Seelen Euch für Eure Hilfe die Freiheit schenken.«
    Sie hielt im Gehen seine Hand, und das war ihre einzige Verbindung mit der Welt. Sie konnte das Gemetzel nicht sehen. Sie konnte die Schreie nicht hören. Sie konnte die Feuer nicht riechen. Und doch wußte sie, daß diese Dinge rings um sie geschahen.
    In ihrer Welt des Schweigens betete sie im Gehen, sie betete, daß die Guten Seelen für diejenigen sorgten, die an diesem Tag gestorben waren, und für die, die noch lebten, erflehte sie von den Guten Seelen

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