Der Tempel der vier Winde - 8
eskortierenden Soldaten hallten über die weiten Marmorflächen und rissen sie aus ihren trüben Gedanken. Die nahende Gruppe schritt durch gleißendes Sonnenlicht, das durch die Fenster am unteren Kuppelrand hereinfiel. Kahlan setzte ihre Konfessorenmiene auf, wie es ihre Mutter ihr beigebracht hatte, ein Gesicht, das nichts verriet und das verbarg, wie es in ihrem Inneren aussah.
Offene Rundbogen rings um den Saal verdeckten Treppen, die zu den mit Kolonnaden versehenen Balkonen mit den polierten Mahagonigeländern hinaufführten. An diesem Tag standen jedoch keine Besucher hinter dem Geländer.
Die von d’Haranischen Soldaten flankierte Gruppe kam vor dem prachtvollen, mit Schnitzereien verzierten Pult zum Stehen. Tristan Bashkar aus Jara und Leonora und Walter Cholbane aus Grennidon standen in vorderster Reihe. Hinter ihnen folgten die Botschafter Seidon aus Mardovia, Wexler aus Pendisan und Brumford aus Togressa.
Kahlan wußte, daß Jara und Grennidon, Länder von unermeßlichem Reichtum und mit großen stehenden Heeren, vermutlich als Gegenleistung für ihre Kapitulation am hartnäckigsten um den Erhalt ihres privilegierten Status kämpfen würden. Deren Selbstvertrauen mußte sie als erstes erschüttern. Da sie den größten Teil ihres Lebens in einer Stellung von Autorität und Macht gedient hatte, erst als Konfessor und später dann als Mutter Konfessor, wußte Kahlan sehr genau, was sie zu tun hatte. Sie kannte diese Leute und wußte, wie sie dachten. Eine Kapitulation war hinnehmbar, solange sie dem Rang nach weiter über gewissen Ländern stehen konnten und solange man ihnen uneingeschränkte Machtbefugnis in ihren inneren Angelegenheiten zubilligte.
Eine solche Haltung war nicht länger akzeptabel. Sie durfte nicht hingenommen werden, wenn sie alle eine Chance gegen die Imperiale Ordnung haben wollten. Kahlan mußte Richards Versprechen und die Bedingungen der Kapitulation mittragen. Davon hing die Zukunft jedes einzelnen Landes der Midlands ab.
Wenn dieser neue Bund gegen die Imperiale Ordnung Bestand haben wollte, durfte es keine eigenständigen Länder geben, die ihre eigenen Ziele verfolgten. Sie mußten jetzt zu einer Einheit werden, mußten einer einzigen Befehlsgewalt unterstehen und zusammenhalten wie ein Volk und nicht wie ein Bündnis, das im kritischen Augenblick auseinanderbrechen konnte und der Imperialen Ordnung dadurch vielleicht ermöglichte, ihnen allen die Freiheit zu rauben.
»Lord Rahl ist mit Angelegenheiten unserer gegenseitigen Sicherheit bei unserem Kampf befaßt. Ich bin an seiner Stelle gekommen, um mir Eure Entscheidung anzuhören. Man wird Eure Worte an ihn weiterleiten, so wie Ihr sie zu mir sprecht. Als Mutter Konfessor, Königin von Galea, Königin von Kelton und Verlobte des Herrschers von D’Hara habe ich die Machtbefugnis, im Namen des D’Haranischen Reiches zu sprechen. Mein Wort hat dieselbe Gültigkeit wie das von Lord Rahl.«
Die Worte waren gegen ihre Absicht hervorgesprudelt, aber genau das war es – das D’Haranische Reich. Richard war sein oberster Führer, seine oberste Autorität.
Die Abgesandten verneigten sich und bestätigten murmelnd, daß sie verstanden hatten.
Diese mächtigen Leute mußten begreifen, daß die Ordnung der Dinge nicht mehr so wie früher war, daher kehrte Kahlan die Reihenfolge, in der diese Angelegenheit verhandelt wurde, um.
»Botschafter Brumford, bitte tretet vor.«
Tristan Bashkar und Leonora Cholbane erhoben sofort die ersten Einwände. Es war noch nie vorgekommen, daß einem unbedeutenderen Land das Wort zuerst erteilt wurde.
Kahlans wütender Blick ließ sie verstummen. »Ihr erhaltet die Erlaubnis zu sprechen, wenn ich sie Euch erteile. Vorher nicht. Ein Land, das sich uns noch nicht durch Aufgabe seiner Eigenständigkeit angeschlossen hat, bekleidet in meinen Augen keinen Rang.
Erwartet nicht, daß man Euch diese Anmaßung durchgehen läßt, wie dies in der Vergangenheit im Bund der Midlands üblich war. Der Bund der Midlands existiert nicht mehr. Ihr seid jetzt ein Teil des D’Haranischen Reiches.«
Eisiges Schweigen senkte sich über den Saal.
Als sie zum ersten Mal davon erfuhr, daß Richard fast genau dieselben Worte in ebendiesen Räumen vor den Abgesandten der Midlands gesprochen hatte, war Kahlan am Boden zerstört gewesen. Am Ende hatte sie begriffen, daß es keinen anderen Ausweg gab.
Tristan Bashkar und die Cholbanes, denen ihre Worte gegolten hatten, standen mit rotem Gesicht, aber schweigend da.
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