Der Tempel zu Jerusalem
Arbeit und die Leiden der Erbauer auslöschen. Das Bauwerk, das sie
geschaffen hatten, gehörte ihnen nie wieder.
Der Fuß des Oberbaumeisters
stieß gegen einen Kalksplitter, unter dem sich ein Loch verbarg. Auf der Suche
nach einem anderen Unterschlupf kam ein schwarzer Skorpion hervorgekrabbelt.
Der Skorpion
der Göttin Sechmet, der einem die Kehle zuschnürte, die Luftzufuhr verhinderte
und den Tod nach sich zog… War der Mörder mit dem dunklen Panzer ein schlechtes
Omen? Wessen Hinscheiden kündigte er an?
Kapitel 41
« Ich fordere den Tod», sagte Zadok. «Warum diese Strenge?»
verwunderte sich Salomo. «Weil sich deine Gemahlin der schwarzen Magie schuldig
gemacht hat. Mehrere Priester haben gesehen, wie sie zu falschen Gottheiten
gebetet hat, am hellichten Tag eine Flamme hat brennen lassen und Beschwörungen
ausgesprochen hat, ehe sie in gottlose Ekstase verfallen ist. Im Namen Jahwes
und des israelitischen Gesetzes fordere ich einen exemplarischen Prozeß. Und
von diesem Gesetz ist niemand ausgenommen.»
Zadoks Zorn
war nicht vorgetäuscht. Zu seinem Haß auf die Ägypterin kam noch sein
fordernder Glaube als Hoherpriester.
«Sind deine Zeugen bereit,
vor mir zu erscheinen?»
«Sie sind es,
Majestät.»
«Man lasse
die Anschuldigung formulieren.»
Salomo wußte,
daß es im Volk rumorte. An den Toren der Hauptstadt, wo die Märkte waren und
man Tagelöhner anheuerte, riefen die durch das Benehmen der Königin
aufgebrachten Gläubigen nach Bestrafung. Man wetzte fleißig die Zungen. Zu
einer Zeit, in der sich Jahwe an dem schönsten jemals erbauten Tempel erfreute,
wie durfte man da zulassen, daß eine Fremdländerin ihm mit heidnischen Riten
trotzte?
Falls Salomos
Weisheit ihm bei seinen Unternehmungen half, mußte die nicht durch die
Anwesenheit einer Teufelin an seiner Seite Schaden nehmen? Wen anders als
Nagsara traf die Schuld an den Gebrechen der Greise, dem vorzeitigen Tod von
Neugeborenen, dem alles verdorrenden Chamsin, den mageren Ernten und den zu
strengen Wintern? War sie nicht schuld an Nachtdämonen und Insektenwolken? Das
Volk hatte bereits gerichtet: Nagsara, die Ägypterin, mußte verschwinden.
Als die Zeichenwerkstatt
abgebaut und der Vorhof voller Arbeiter war, die das Pflaster legten, bewohnte
Meister Hiram zusammen mit seinem Hund und Kaleb erneut den unterirdischen
Raum. Dem Hinkefuß, dem die Atmosphäre auf der Baustelle, wo es ausschließlich
um Arbeit ging, nicht gefallen hatte, bot sich erneut Gelegenheit,
ausgezeichnete Gerichte zu kochen, die dem Baumeister fast genausogut mundeten
wie Anup.
Auf
Kalktäfelchen, die er später zwischen den Fingern zerbröselte, zeichnete Hiram
Plan um Plan und verbesserte unaufhörlich die Skizzen zu dem Werk, das im
geheiligten Bezirk stehen und Salomos Tempel über viele Jahrhunderte berühmt
machen sollte.
Kaleb tischte
Hiram mit Rosmarin gebratenes Lamm auf. Trotz der Mißbilligung des Kochs bekam
der Hund ein gut Teil davon ab.
«Läuft die Königin Gefahr,
verurteilt zu werden?»
«Salomo bleibt nichts anderes
übrig», antwortete Kaleb. «Es gibt zahlreiche Zeugen. Alle zerreißen sich das
Maul darüber. Die Ägypterin hat sich zu lange der schwarzen Magie befleißigt.»
«Welche
Strafe steht ihr bevor?»
«Die
Steinigung.»
«Wie kann sie
sich verteidigen?»
Kaleb dachte
nach und trank dabei einen Becher Wein.
«Es gibt da
ein Mittel… Ein sehr altes Ritual…»
«Und das
wäre?»
«Die Probe
mit bitterem Wasser. Die Angeklagte trinkt eine gräßliche Mischung aus Staub,
Tierexkrementen und Pflanzenabfällen. Wenn sie erbricht, ist sie schuldig, und
die Strafe wird auf der Stelle vollzogen. Wenn nicht, hat sie ihre Unschuld
bewiesen.»
«Sehr gut»,
meinte Hiram.
Der Hinkefuß
runzelte die Brauen.
«Sehr gut?
Was soll denn das heißen? Du hast Spaß an der Hinrichtung einer Frau? Das sieht
dir ganz und gar nicht ähnlich.»
Der
Baumeister schwieg sich aus.
Israels Königin, der Salomos
Schreiber mitteilte, daß man sie der schwarzen Magie beschuldigte und sie vor
einem königlichen Gericht erscheinen müsse, verkroch sich in ihre Gemächer im
neuen Palast. Es war ihr nicht gelungen, ihren Gemahl zurückzuerobern. Die
Göttin Sechmet hatte keine Zeit gehabt, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie hatte sich
zwar mit der Befragung der Flamme erschöpft, hatte jedoch keinen Weg gefunden,
wie sie Hiram vernichten und ihn ins Reich der Finsternis verbannen konnte.
Dieses Reich, wohin sie durch
Weitere Kostenlose Bücher