Der Tempel zu Jerusalem
hierbleiben.»
Nagsaras
Widerstand ließ nach. Salomos Berührung verzauberte sie. Sie konnte der
eigenartigen Wärme, die sie durchrieselte, kaum noch widerstehen.
«Laß mich
allein», bat sie.
«Warum stößt
du mich zurück?»
«Weil ich dich verabscheue!»
Nagsara riß
sich los.
«Du hast mich
beleidigt, zum Gespött gemacht! Du behandelst mich wie eine dieser Hündinnen,
wie eine Nebenfrau! Warum schließt du mich nicht in den Palast ein und verstößt
mich?»
Der König
wirkte überrascht.
«Nagsara, ich
verstehe nicht. Habe ich einen so schlimmen Fehler gemacht?»
Die Prinzessin
wandte sich schmollend ab.
«Deine
Abwesenheit heute nacht…»
«Das also ist
es… Protokoll, schöne Nagsara, nichts als Protokoll! Ich hatte keine andere
Wahl. In Gedanken war ich jedoch bei dir. Zweifelst du etwa daran?»
Der letzte
Widerstand der Ägypterin war dahin. Sie nahm Salomos Arm.
«Aber… ich
bin kaum bekleidet, ich…»
«Israels
Königin ist so sehr schön. Laß uns nicht noch mehr Zeit verlieren.»
Nagsara stieg zu ihrem Gemahl
in den Streitwagen. Als er sie um die Taille faßte, erstarrte sie. Sie hatte
ihm den Sieg zu leicht gemacht. Er ging mit ihr um wie mit einer Stoffpuppe,
wie sie kleine Mädchen lieben. Salomo fuhr sie nicht grob an, sondern band sie
lediglich fest, damit sie nicht herunterfiel.
Das Paar fuhr
durch kleine Ebenen, die mit Büschen bestanden waren, hinter denen sich
beschauliche Dörfer verbargen. Auf der einen Seite eine Talmulde mit
Maulbeerbäumen, auf der anderen Hänge mit Pfirsichbäumen und dazwischen
Weinstöcke. Salomo hielt am Fuß von Terrassen, die den Boden festhielten und
ein Abrutschen des Erdreichs verhinderten. Er zog Nagsara zu einem See, hinter
dem sich ein bewaldeter Hügel erhob. Am Ufer besserten Fischer ihre Netze aus,
gingen behende mit der Nadel um. Auf dem Boden lagen kupferne Angelhaken. Das
mit Blei beschwerte Wurfnetz war ein Netz, das die Geschicktesten mit einer
einzigen Handbewegung von großen Booten auswarfen, die der Strömung
widerstanden. Die Männer sangen. Sie hatten einen guten Fang gemacht und warfen
kleinere Fische, die weder Flossen noch Schuppen hatten, wieder ins Wasser. Ihr
Arbeitgeber bot dem königlichen Paar Hecht an, der auf einem Holzfeuer briet.
Nagsara lehnte ab, doch ihr Gemahl aß mit Genuß.
Dann fuhren
sie wieder los und durchquerten eine duftende Strauchheide, auf der Ginster und
Bärenklau wuchsen. Vögel flatterten in den Zweigen der Senfpflanzen, deren
Samen die Köche im Mörser zerstießen, wenn sie Senf herstellen wollten. Nagsara
fuhr mit der Hand an der Karosserie des Streitwagens entlang und wurde von
einer großen Distel gestochen. Salomo küßte den Stich mit einem langen Kuß.
Als der See
Genezareth in Sicht kam, vergaß die junge Frau ihren Schmerz. Es war nur ein
kleiner See, der wie eine Harfe geformt war. Ein guter Schwimmer konnte ihn in
knapp einer Stunde durchqueren. Doch er war so schön, daß auch der
Unempfänglichste bei seinem Anblick nicht ungerührt blieb. Seine Fluten waren
saphirblau und wurden von kleinen Fischerbooten durchfurcht, deren Besitzer in
weißen Häusern zwischen Jasmin und Oleander wohnten, die das Ufer schmückten.
Die grünen Hügel schützten ihn vor dem Wind, der an diesem schönen Tag die
Blumen tanzen ließ.
«Hier», so
erklärte ihr Salomo, «hat sich seit Anbeginn der Zeit nichts verändert. Hier
herrscht immer Friede. Erst als ich diesen friedlichen See mit seinen Farben wie
die Ewigkeit gesehen hatte, wollte ich Frieden für mein und dein Volk.»
Nagsara
kämpfte nicht mehr gegen sich selbst.
Sie empfand
Gefühle, die sie flüchtig in den Gärten von Fayum am Rand des Sees verspürt
hatte, auf dem junge ägyptische Prinzen segelten.
Sie legte den
Kopf auf Salomos Schulter, und da er spürte, wie sie nachgab, rührte er sich
lange nicht, ehe er sie in die Arme nahm und sie zum ersten Mal küßte.
Nagsaras
Blick hatte sich verändert. Sie lachte und weinte zur gleichen Zeit. Die
Vergangenheit wich, verwehte mit der Brise, die das Wasser des Jordan
kräuselte, zu dem sie der König jetzt zog. Er führte seine Gemahlin auf einem
schmalen Pfad, der sich über den Flußauen dahinzog, ehe er zwischen
Basaltfelsen anstieg und in eine Landschaft führte, die aus steil aufragenden
Böschungen und dichtem Gebüsch bestand.
Nagsara wagte
es nicht, Salomo nach dem Ziel ihres Ausflugs zu fragen. Es gefiel ihr, sich
durch den leiten zu lassen, der sie verzaubert hatte.
Von
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