Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Kämpfe im Ring auszutragen und sich an die Regeln zu halten, er hatte mitunter auch selbst Boxhandschuhe angezogen. Byrne erinnerte sich, im Haus des Pfarrers neben der St. Gedeon Church ein paar Bilder des jungen, boxenden Tommy Leone gesehen zu haben, siebzehn oder achtzehn Jahre alt, schlank und muskulös, wie es nur ganz junge Männer sein können. Mit seinem schönsten John-Garfield-Lächeln schaute er in die Kamera.
Jetzt lag der kleine Leichnam unter einem Laken, das vom häufigen Waschen völlig ausgeblichen war. Byrne fragte sich, welche Farbe es einst gehabt hatte. Ob blau oder grün, konnte er nicht erkennen.
Byrne nahm seinen Mut zusammen, atmete tief ein und zog das Laken weg, wie er es in seiner Funktion als Detective unzählige Male getan hatte. Aber heute war es anders. Das hier war eine persönliche Angelegenheit.
Er schaute in das wettergegerbte Gesicht des alten Mannes. Pfarrer Leone sah aus, als wäre er friedlich eingeschlafen.
Einen kurzen Augenblick schloss Byrne die Augen und erinnerte sich an seine erste Beichte. Damals war es ihm – und auch keinem anderen der wilden Jungs aus seiner Klasse – in den Sinn gekommen, dass Pfarrer Leone, der jede Stimmen kannte, nun genau wusste, wer welche Sünden begangen hatte.
Byrne öffnete die Augen und fragte sich, welche Sünden Pfarrer Leone begangen und ob er die Sterbesakramente erhalten hatte.
Er nahm die Hand des alten Mannes in seine und …
… sah, wie die Dunkelheit sich näherte, eine so riesige Flutwelle aus undurchdringlicher Finsternis, dass sie seine Geburtsstadt winzig klein erscheinen ließ, während die Welle immer gewaltiger wurde …
Der Junge in dem roten Mantel.
Byrne verscheuchte die Bilder, beugte sich hinunter und küsste den alten Mann sanft auf die Stirn. Er zog das Laken wieder über den Leichnam, trat hinaus auf den Flur und schloss die Tür. Dann legte er eine Hand auf die Glasscheibe und sagte: »Ruhen Sie in Frieden, Pfarrer Leone.«
*
Als Byrne die Villa Maria verließ, war es noch kälter geworden. Er hob den Blick. Am Himmel ballten sich dunkle Wolken.
Wie passend, dachte Byrne. An einem solchen Tag sollte die Sonne nicht scheinen.
*
Vom Parkplatz aus rief Byrne in der Mordkommission an und erkundigte sich nach dem neuesten Stand der Dinge. Die Kriminaltechniker hatten jeden Quadratzentimeter der St.-Ignatius-Kapelle überprüft, nach losen Steinen gesucht, Abdeckungen von Lichtschaltern abgeschraubt und Bodenplatten umgedreht. Bontrager sagte, sie hätten nichts gefunden, was auf den nächsten Tatort oder das nächste Opfer hindeuten könnte.
Da muss etwas sein, dachte Byrne. Er war sich ganz sicher.
Er stand auf dem kalten Parkplatz. Die eiskalte Luft betäubte den Kummer über den Verlust seines alten Freundes. Er konnte noch immer nicht glauben, dass Pfarrer Leone tot war.
Was war in dem Umschlag, den der Pfarrer ihm hinterlassen hatte?
Byrne wollte gerade zum Roundhouse zurückfahren, als sein Handy sich meldete. Er zog es aus der Tasche und sah, dass er eine Nachricht bekommen hatte.
Es dauerte einen Moment, bis Byrne die gesamte Nachricht heruntergeladen hatte. Und dann musste er zweimal hinschauen, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht verlesen hatte.
Da stand:
W IE FINDEN S IE MICH JETZT ???!!!
Unter dem Text war ein Foto – das Bild eines Jungen, der an einen Stuhl gefesselt war. Die Augen waren vor Angst weit aufgerissen. Byrne kannte ihn.
Die Nachricht stammte von DeRon Wilson.
Der Junge auf dem Stuhl war Gabriel Hightower.
44.
Jessica wusste, dass eine Doppelschicht auf sie wartete und dass sie nicht einmal Zeit hatte, sich kurz hinzulegen. Deshalb beschloss sie zu trainieren.
Als sie ihre Boxhandschuhe anzog, hatte sie bereits dreißig Minuten Konditionstraining auf dem Laufband und Hanteltraining hinter sich. Sie würde zwei Runden mit ihrer speziellen Freundin Valentine Rhames trainieren. Diese war bereit gewesen, nach ihren Seminaren an der Temple University ins Studio zu kommen. Oder nach dem Kindergarten. Oder was immer sie tagsüber machte.
Als Jessica in den Ring trat, sah sie, dass die Haut der jungen Frau pulvertrocken war.
Oh, diese Arroganz der Jugend, ging es ihr durch den Kopf.
Plötzlich musste Jessica wieder an Cecilia Rollins denken und an all das, was das kleine Mädchen niemals erleben würde. Es würde niemals erfahren, wie sich der erste Kuss anfühlte. Es würde niemals den ersten Liebeskummer erleiden.
Dass Roland Hannah jede Minute das
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