Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
die Auflösung wahrscheinlich nicht besonders gut. In den letzten Jahren hatten Fernsehsender allerdings schon häufig Videos gezeigt, deren Qualität zu wünschen übrig ließ, wenn das Thema es rechtfertigte. Oft auch, wenn dies nicht der Fall war. Wenn sie vor der Wahl standen, entweder Videos von schlechter VHS-Qualität zu zeigen oder von anderen Sendern aus dem Rennen geworfen zu werden, überlegten sie nicht lange. Ohne Bilder lief heute gar nichts mehr.
Der Junge bewegte sich langsam von Shane weg. Shane wollte etwas sagen, doch er begriff, dass er sich jetzt in der Welt des Jungen aufhielt und nicht in seiner eigenen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Anderson Cooper in einer dunklen Gasse in Tikrit einen irakischen Jungen mit einem Handyvideo bedrängte. Er wartete.
Schließlich hielt der Junge das Handy in die Höhe und drückte auf die Taste.
Zuerst sah Shane nur das verschwommene Bild eines schmutzigen Teppichbodens. Dann hörte er Schreie. Er konnte nichts verstehen, aber die Tonqualität konnte man nachträglich verbessern. Shane warf einen raschen Blick auf die Uhr. Noch Zeit satt. Wieder schaute er auf das Foto-Handy, auf dem jetzt ein langer, schlecht beleuchteter Hausflur zu sehen war. Mehrere Türen waren geöffnet, und ein paar Mieter kamen auf den Flur. Dann folgten ein paar extrem verwackelte Bilder vom hinteren Teil des Flurs, was die Unmittelbarkeit der Aufnahme aber nur verstärkte.
Schließlich war Kevin Byrne zu sehen, der einen Mann so fest gegen eine Gipskartonwand stieß, dass sie zerbrach.
Shane bemerkte, dass er die Luft anhielt. »Das ist DeRon, nicht wahr?«
»Hm«, erwiderte der Junge.
Byrne zog eine Waffe und drückte sie dem Mann auf die Stirn. Shane versuchte, ruhig zu bleiben. Er dachte an seinen Schauspielunterricht und rief sich in Erinnerung, welches Verhalten dieser Augenblick verlangte: Gleichgültigkeit. Aber das fiel ihm verdammt schwer.
Als das Display schwarz wurde, atmete Shane tief ein. »Ich weiß nicht. Das Licht ist schlecht.«
Shane erwartete eine Antwort. Doch der Junge sagte nichts.
»Ist nicht gerade die beste Auflösung, wenn du weißt, was ich meine«, sagte Shane.
Der Junge schwieg beharrlich.
»Ich gebe dir zwanzig Dollar dafür, okay?«
Der Junge schnaubte wütend. Offenbar hielt er Shanes Angebot für eine Frechheit. Das war es natürlich auch.
Shane erwartete ein Gegenangebot, doch der Junge machte Anstalten, mitsamt seinem kostbaren Handy wegzufahren.
»Warte.«
Der Junge blieb stehen, drehte sein Fahrrad aber nicht wieder um.
»Ich könnte auf fünfzig erhöhen«, sagte Shane. Dann fiel ihm ein, dass er nur den Hunderter in der Brieftasche hatte und vielleicht sechs Eindollarscheine in der Hosentasche. Er blickte die Straße hinunter und entdeckte einen Laden, der die ganze Nacht geöffnet hatte. Vielleicht konnte er den Schein dort wechseln. »Ich muss das aus eigener Tasche bezahlen, weißt du. Für den Mist gibt mir mein Sender nichts.«
Der Junge schüttelte den Kopf.
Dieser verdammte Gauner.
»Okay«, sagte Shane. »Hundert sind mein letztes Angebot. Mehr ist beim besten Willen nicht drin. Deine Entscheidung. So gut ist der Film nun auch wieder nicht.«
Der Junge starrte ihn eine ganze Weile an. Shane wurde unbehaglich zumute. Vielleicht war es ja doch ein Raubüberfall. Vielleicht zeigte der Junge ihm nur den Film, um ihn abzulenken, bis seine Freunde auftauchten.
Er spähte auf Shanes Wagen und fragte: »Ist das Ihre Karre?«
Shane war heilfroh, dass seine Tasche mit der Panasonic-Filmkamera, der Digitalkamera und den Objektiven im Kofferraum und nicht auf der Rückbank lag. »Ja.«
Der Junge grinste. Jetzt begriff Shane, warum er gefragt hatte. Der Wagen war eine Schrottkiste. Wäre er mit einem BMW oder einem Lexus durch die Gegend gefahren, hätte der Junge entweder mehr verlangt, oder er wäre verschwunden. Oder es hätte etwas noch Schlimmeres passieren können.
Shane hatte ihn an der Angel. Gerettet durch seine Scheißkarre.
»Zeigen Sie mir das Geld.«
Shane zückte die Brieftasche und fischte den zerknitterten Hunderter heraus. Er strich ihn glatt, reichte dem Jungen das Geld aber noch nicht. »Wie komme ich an das Filmmaterial? Kannst du es mir jetzt gleich per E-Mail schicken?«
Der Junge reichte ihm das Handy.
Shane war sprachlos. »Was denn, du gibst mir einfach dein Handy?«
Der Junge griff in die Hosentasche und zog vier oder fünf weitere Handys in bunten Farben heraus.
Shane schüttelte den
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