Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Laternenpfahl, den der Mörder erneut mit einem X markiert hatte.
Trotz der nächtlichen Stunde versammelten sich ein paar Neugierige auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nachrichten über die skurrilen, grausamen Morde, die in Kirchen verübt wurden, sorgten für immer größere Schlagzeilen. Da nun drei Streifenwagen und vier Zivilfahrzeuge der Mordkommission an der kleinen Kirche parkten, verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer.
Auch das Aufnahmeteam eines Fernsehsenders war vor Ort.
*
Als Jessica eintraf, einen Kaffee in der Hand, standen Byrne und Maria Caruso gegenüber von der Kirche und sprachen miteinander. Maria sah blass und erschöpft aus. Kein Wunder um diese unchristliche Zeit. Maria würde die Leitung der Ermittlungen übernehmen.
»Hallo«, sagte Jessica.
»Tut mir leid, dass ich dich aus dem Bett geworfen habe«, erwiderte Byrne.
»Schon okay.« Jessicas Begeisterung hielt sich in Grenzen. Sie zeigte auf die Aktivitäten ringsum. »Ich nehme an, wir haben ein weiteres Opfer.«
»Ja«, sagte Maria. »Leider.«
»Im Keller?«
Maria nickte. »Ein Weißer um die sechzig.«
»Wurde der Rechtsmediziner informiert?«
»Ist schon unterwegs.«
Jessica schaute auf die Kirchenfassade. Es war eine alte Pfarrkirche, in der vielleicht zweihundert Gläubige Platz fanden. »Wie sind sie in die Kirche gelangt?«
»Es gibt einen Hintereingang zum Pfarrhaus. Das Fenster wurde eingeschlagen.«
»Blutspuren?«
Maria schüttelte müde den Kopf. Es war erst ihr dritter oder vierter Fall als leitende Ermittlerin in einem Mord; außerdem zog dieser Fall in besonderem Maße die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit auf sich. Jessica fragte sich, ob Maria sich bewähren würde. Sie erinnerte sich an ihre eigenen Erfahrungen als leitende Ermittlerin in der Anfangszeit. Man arbeitete mit gestandenen Detectives zusammen und musste ihnen sagen, was sie zu tun hatten. Keine einfache Sache. Hinzu kamen eine ganze Reihe anderer Profis – Kriminaltechniker, Sanitäter, Laboranten –, die oft älter waren als man selbst, und die mehr Erfahrungen hatten. Ständig stellte man die eigene Einschätzung der Lage infrage und überlegte, ob man die falsche Entscheidung getroffen hatte.
»Ist das unser Täter?«, fragte Jessica.
»Ja«, sagte Maria.
»Hält das Opfer ein Messbuch in der Hand?«, fragte Byrne.
Maria schluckte. »Ja.«
Der Rechtsmediziner traf mit seinem Fotografen ein. Er und Maria unterschrieben das Tatortprotokoll und verschwanden in der Kirche.
Eine Viertelstunde später kamen sie wieder heraus. Der Rechtsmediziner unterhielt sich mit Maria, die sich Notizen machte. Dann kam sie über die Straße zu Jessica und Byrne.
»Seid ihr bereit?«, fragte sie.
Niemand war bereit.
Niemand wollte es sein.
Sie durchquerten das einstöckige Pfarrhaus neben der Kirche. Das Ziegelsteingebäude war makellos sauber bis auf den Staub vieler Jahre und den Ruß, der von dem unablässigen Verkehr herrührte. Die zahllosen Fußabdrücke im Staub stammten von den Ermittlern.
Jessica schaute auf den Boden, doch die Kriminaltechniker hatten nirgendwo Spuren irgendwelcher Art gekennzeichnet. Keine Blutspritzer, keine Patronenhülsen.
Die Detectives betraten die Kirche. In einem kleinen Vorraum auf der linken Seite befand sich eine Tür, die zur Treppe in den Keller führte.
Der Keller, dachte Jessica zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen.
An den Keller gewöhnte man sich nie.
*
Dank der beiden Scheinwerfer, die die Kriminaltechniker aufgestellt hatten, war der Keller diesmal hell erleuchtet. Das Licht war aber auch das einzig Angenehme an diesem tristen Ort, der seit vielen Jahren vernachlässigt worden war. Auf den Betonmauern schimmerte Feuchtigkeit, an einigen Stellen hatte sich sogar Eis gebildet.
»Das Opfer liegt in dem kleinen Raum rechter Hand, gleich neben dem Heizungskeller, wo der Ölofen steht«, sagte Maria.
»Okay.« Jessica atmete tief ein und betrat den Raum als Erste.
Gar nichts war okay.
»Mein Gott«, stieß sie hervor. Ihr Magen verkrampfte sich.
Das Opfer, ein Mann Ende sechzig oder Anfang siebzig, saß auf dem Boden mit dem Rücken an der Wand. Er war nackt. Neben ihm lag ein Stapel ordentlich gefalteter Kleidung. Daneben standen Laufschuhe mit den Socken darin. Neben den Schuhen sah Jessica eine Brille mit Metallfassung.
Auf dem Boden rings um den Mann lagen in einem Halbkreis kleine weiße Steine.
Das Opfer wies keine offenen Wunden und keine Spuren
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