Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
Einige nennen sie den Morgenstern, andere den Tagesstern. Wieder andere bezeichnen sie mit ihrem alten Namen, der sich aus dem lateinischen lucem ferre ableitet.
Luzifer.
28.
Jessica, Byrne und Maria Caruso standen an der Ecke vor der Kirche. Trotz der frühen Stunde hatte sich auf der anderen Straßenseite bereits eine Menschenmenge gebildet. Jessica hatte Byrne gebeten, ihr von dem Streit mit Wilson am Abend zuvor zu erzählen, der dafür gesorgt hatte, dass Byrne in den Nachrichten gelandet war. Byrne versprach, ihr alles zu erzählen, und fügte hinzu, er sei zum Captain zitiert worden. Das Gespräch könne unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen: gar keine, eine Suspendierung oder sogar einen Rausschmiss.
Als Maria Caruso ihren Kollegen Anweisungen für die Befragung in der Nachbarschaft gab, löste sich ein junger Mann aus der Menge und näherte sich ihnen. Jessica vermutete, dass er mit ihnen sprechen wollte. Er kam ihr bekannt vor, doch im ersten Moment konnte sie ihn nicht einordnen.
Dann fiel es ihr ein. Es war Michael Raphael, der Pressesprecher der Erzdiözese. Heute trug er statt Soutane und Priesterkragen einen dicken Parka und eine Wollmütze.
»Mr. Raphael«, sagte Jessica. »Wie kommen Sie denn hierher?«
Michael Raphael zeigte auf die Fernsehkameras auf der anderen Straßenseite. »Ich habe es in den Frühnachrichten gesehen. Es ist schrecklich.«
Jessica stellte Maria Caruso den Pressesprecher der Erzdiözese vor. Sie reichten sich die Hand.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, fragte Raphael.
Jessicas Blick wanderte von Byrne zu Maria und zurück zum Priester. »Im Augenblick nicht. Aber danke für das Angebot.«
Raphael nickte und dachte kurz nach. Offenbar hatte er noch etwas auf dem Herzen. »Ich habe noch einmal über Ihren Besuch bei mir nachgedacht. Darf ich offen sein?«
»Natürlich«, sagte Jessica, die das Gefühl hatte, dass die Frage an sie gerichtet war.
»Detective Byrne hat mich gefragt, ob eine offizielle Zeremonie stattfindet, wenn eine Kirche geschlossen wird.«
»Sie meinen die Profanierung?«, sagte Byrne.
»Ja. Ich habe ein bisschen recherchiert.«
»Und was haben Sie herausgefunden?«
»Leider nichts Offizielles, sofern es die Katholiken betrifft. Was mit dem geweihten Grund und Boden geschieht, kann die Kirche nur in der Zeit des Verkaufs kontrollieren, fürchte ich. Die Kirche hat keinen Einfluss darauf, wie die späteren Besitzer die ehemalige Kirche nutzen.«
»Es gibt also keine Zeremonie?«
»Ich habe nichts gefunden«, sagte Raphael. »Ich bin allerdings auf ein paar Fälle gestoßen, in denen Kirchen – zumindest geweihte Gegenstände innerhalb der Kirchen, zum Beispiel Skulpturen oder Altäre – zerstört wurden, damit sie nicht entweiht werden.« Er zog ein Blatt aus der Tasche. »Das hier könnte Ihnen helfen, die Dinge zu verstehen.« Er reichte Jessica das Blatt. »Hier steht, was das Kirchenrecht über geweihte Orte sagt.«
Jessica faltete das Blatt auseinander und las laut vor, damit die anderen mithören konnten: »Geweihte Orte verlieren ihre Weihung oder ihren Segen, wenn sie in großen Teilen zerstört und einer weltlichen Nutzung zugeführt wurden, sei es durch einen Erlass des zuständigen Bischofs oder ohne einen solchen.«
»Dann könnte bei einer Kirche also durch Versäumnis eine Profanierung vorliegen«, sagte Byrne.
»Ja«, sagte Raphael. »Mehr oder weniger.«
Jessica hielt das Blatt hoch. »Können wir das behalten?«
»Selbstverständlich«, antwortete Raphael. Dann zeigte er auf die Kirche. »Dürfte ich ein kurzes Gebet sprechen?«
»Ja, sicher. Wir sind für alle Gebete dankbar.«
Jessica zog das Absperrband hoch. Als Raphael sich verabschiedete und sich unter dem Band hindurchduckte, warf Jessica dem Streifenpolizisten, der die Kirchentür bewachte, einen Blick zu und gab ihm durch ein knappes Nicken zu verstehen, dass Raphael den Tatort betreten durfte.
Jessica las den Paragrafen noch einmal durch: »Auf Dauer einer weltlichen Nutzung zugeführt wird …«
Daran bestand kein Zweifel, wenn man bedachte, was an den drei Tatorten in den Kirchen geschehen war.
»Detective?«
Jessica, Byrne und Maria hoben den Blick. Es war einer der Kriminaltechniker, der mit Maria Caruso sprechen wollte.
»Ich komme gleich wieder«, sagte sie zu Jessica und Byrne, ehe sie in die Kirche zurückkehrte.
»Ist gut«, sagte Jessica und schlenderte zusammen mit Byrne zum Wagen.
»Sieben Kirchen.« Byrne wiederholte die Worte
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