Der Teufel in dir: Thriller (German Edition)
des anonymen Anrufers, mit denen diese finstere Odyssee begonnen hatte. Es kam ihm beinahe so vor, als würden sie den Phantomkiller schon seit Monaten jagen.
»Ich möchte jetzt nicht darüber nachdenken, Kevin.«
Byrne strich über die kleine V-förmige Narbe über seinem rechten Auge – wie immer ein Zeichen, dass er angestrengt nachdachte. Das war das Einzige, wodurch Byrne sich verriet. Meistens war er undurchschaubar.
»Ich glaube, wir brauchen eine kleine spirituelle Führung«, sagte Byrne schließlich.
»Vielleicht kann Raphael uns helfen.« Jessica schaute auf die Stufen, die zur Kirchentür der St. Regina führten, doch Raphael stand nicht mehr dort. Sie ließ den Blick über die Menge schweifen. Der Priester war verschwunden.
»Er ist weg. Soll ich ihn suchen?«
»Nein, ich spreche nicht über die Kirche«, sagte Byrne. Er zog die Schlüssel aus der Tasche, öffnete die Beifahrertür des Taurus und hielt sie Jessica auf. »Ich spreche über etwas anderes.«
29.
Die Villa Maria war ein großer Gebäudekomplex in einem Waldgebiet in Chester County. Früher war hier ein Pflegeheim des Countys für mittellose Patienten untergebracht. Ende der Achtzigerjahre hatte die Erzdiözese das Gebäude gekauft und instand gesetzt. Insgesamt lebten hier einundsechzig Priester im Ruhestand.
Aus der Ferne erinnerte das Gebäude an ein altes Wellnesshotel, wie man es in den Poconos oder den Catskills finden könnte. Nur die große Statue der Heiligen Jungfrau vor dem Haupteingang deutete auf eine andere Nutzung hin.
*
Als die beiden Detectives sich dem alten Mann im Rollstuhl näherten, fiel Jessica als Erstes auf, wie klein er war. Auf dem Weg zur Villa Maria hatte Byrne ihr Geschichten über diesen Mann erzählt und ihr anvertraut, dass der Pfarrer nicht nur den kleineren Kindern in der Gemeinde, sondern auch den großen Jungen Respekt, sogar Angst eingeflößt hatte.
»Nur einmal klingeln bei der ersten Kniebeuge, Mr. Byrne«, sagte der alte Mann im Rollstuhl.
Jessica und Byrne blieben wie angewurzelt stehen und wechselten einen Blick. Pfarrer Thomas Leone hatte sich nicht umgedreht, und im Zimmer hingen keine Spiegel. An diesem sonnigen Wintertag konnte man auf den Fensterscheiben auch keine Reflexionen sehen. Außerdem hatte Byrne nicht angerufen, um sich mit Leone zu verabreden. Sie wurden nicht erwartet.
Konnte der alte Mann hellsehen?
»Woher wussten Sie, dass ich es bin?«, fragte Byrne.
Leone tupfte sich die Lippen ab und legte sich die Serviette auf den Schoß. Seine Fingergelenke waren von einer schweren Arthrose verformt. »Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass mich in meinem Alter als Belohnung für mehr als sechzig Jahre im Dienste unseres Herrn die Macht der Allwissenheit erfüllt.« Er hob seinen dünnen Arm und zeigte auf das Fenster. »Die Wahrheit ist, dass ich Sie gesehen habe, als Sie auf den Parkplatz gefahren sind.«
Byrne lachte, legte dem alten Mann eine Hand auf die Schulter, beugte sich hinunter und küsste ihn auf die Wange.
Jessica stellte sich auf die andere Seite. Byrne machte die beiden miteinander bekannt.
Als Jessica neben Leone stand, sah sie, dass nicht nur sein hohes Alter, sondern auch Krankheiten ihre Spuren hinterlassen hatten. Leone entfernte die Sauerstoffkanüle aus der Nase und legte den Schlauch über die Lehne des Rollstuhls.
»Sind Sie sicher, dass Sie das tun dürfen?«, fragte Byrne.
Leone zuckte mit den Schultern. »Was wollen die denn machen? Mir meine geschmorten Tomaten vorenthalten?«
Die beiden Männer unterhielten sich eine Weile über alte Zeiten.
»Wurde sie schon abgerissen?«, fragte Leone schließlich.
»Nein, noch nicht«, sagte Byrne. »In ein paar Tagen.«
Sie meinten die St. Gedeon Church, die massive Steinkirche in der Zweiten Straße, das Gotteshaus aus Byrnes Kindheit und Jugend.
Leone schaute auf das Grundstück, auf dem noch immer eine dünne Schneeschicht lag. »Ich habe ungefähr fünfhundert Paare in der St. Gedeon Church getraut und ungefähr tausend Babys getauft«, sagte er an Jessica gewandt und zwinkerte ihr zu. »Meinen Sie, das kommt hin?«
Jessica rechnete nach. »Jedes Paar zwei Babys? Bei Italienern und Iren nicht«, sagte sie lächelnd. »Da werden Sie wohl ein paar vergessen haben.«
»Kann schon sein«, erwiderte Leone und lächelte ebenfalls. Dann blickte er Byrne an, ergriff dessen Hand. »Denken Sie noch an ihn, Kevin?«
Jessica schaute zuerst Byrne, dann den alten Mann fragend an. An wen?
»Ab und
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