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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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ordentlichen Entlassungsscheines sei, würde keine Lebensmittelkarten erhalten und während seines ganzen weiteren Aufenthalts in Frankreich auf immer neue Schwierigkeiten stoßen. Und ganz unmöglich werde es für einen solchen Mann ohne ordentliche Papiere sein, das Land zu verlassen. Man begreife das Peinliche unsrer Situation, aber unsere Befürchtungen seien unbegründet. Marschall Pétain sei überaus empfindlich in allem, was militärische Ehre angehe. Sicherlich nicht werde er Leute, denen Frankreich Gastrecht zugesagt habe, umkommen lassen.
    Ich fragte, ob das die persönliche Meinung des Kommandanten sei oder die Offizielle Ansicht der französischen Behörden. Der Kommandant erwiderte, er sei kein Jurist, er könne keine autoritative Erklärung abgeben, wie jene Klausel neunzehn aufzufassen sei. Aber er sei französischer Offizier und könne sich nicht vorstellen, daß der Marschall irgend etwas sollte unterschrieben haben, was gegen die französische Ehre gehe.
    Das war alles, was bei jener Unterredung herauskam, der ich so gespannt entgegengesehen hatte. Viel war es nicht. Immerhin gewann ich den Eindruck, daß die französischen Behörden eher gutwillig seien und daß sie mich lieber verschwinden lassen als mich den Deutschen ausliefern wollten. Doch durfte man nicht vergessen, wie lässig die französischen Militärbeamten waren. Französische Ehre, Hospitalität, gut und schön: aber im Ernstfall hatte bis jetzt immer der Je-m’en-foutismus gesiegt, der französische Teufel.
    Ich überlegte hin und her. Wenn der Kommandant erklärt hatte, es sei nicht klug, einen Fluchtversuch zu machen ohne den Besitz regulärer Papiere, so war das sicher richtig. Es war gescheiter, hierzubleiben. Gewiß, ich wäre vielleicht unangefochten nach meinem Sanary zurückgekommen, es war auch durchaus möglich, daß inmitten der allgemeinen Auflösung die Gendarme des Nachbarstädtchens Ollioules die Augen zugedrückt und mich nicht gesehen hätten: aber was, wenn dann wirklich ein Auslieferungsverfahren gestellt wurde? In Sanary werde ich schwerlich rechtzeitig gewarnt werden. Hier im Lager indes konnten mir die Franzosen, wenn sie guten Willens waren, rechtzeitig einen Wink geben.
    Das war alles richtig. Doch in meinem heimlichsten Innern fürchtete ich, diese schönen Erwägungen seien nichts als Ausreden, die es mir ermöglichen sollten, mich vor einem Entschluß, mich vor einem Fluchtversuch zu drücken. Höchstwahrscheinlich wollte ich nichts als bequem weiterwursteln, ähnlich wie damals in Sanary, vor dem Krieg, als ich mich davor gedrückt hatte, Frankreich rechtzeitig zu verlassen. Höchstwahrscheinlich war ich einfach zu träge und zu bequem, um die Gefahren und Strapazen einer Flucht auf mich zu nehmen.
    Die Unterredung hatte am Nachmittag stattgefunden. Nachts schlief ich nicht gut, ich erwog nochmals das Für und Wider, und nochmals kam ich zu dem Schluß, es sei klüger, zu bleiben.
    Den Morgen darauf, zwischen den Zelten, begegnete mir ein jüngerer Mann von derbem Aussehen, der offenbar erst an diesem Morgen ins Lager eingeliefert oder wieder eingeliefert worden war. Er blieb, als er mich sah, in höchster Überraschung stehen, er hielt wirklich für ein paar Augenblicke den Mund aufgesperrt, dann brach er in grobem, ehrlichem Wiener Vorstadtdialekt in die Worte aus: »Ja, bist du denn immer noch hier? Ja, bist du denn ganz deppert?«
    Diese Worte bewegten mich mehr, als der Mann wohl vermutet hatte. Blitzhaft in ihnen erkannte ich den impulsiven Ausdruck des gesunden Menschenverstandes. Alles, was ich mir vorgesagt hatte, um bleiben zu können, war Dunst. Der Mann hatte recht. Es war verbrecherischer Leichtsinn, wenn ich länger hier im Lager blieb. Von einem Tag zum andern konnten die Deutschen darauf drängen, daß man der lockern Disziplin hier ein Ende mache und uns strenger überwache. Schon hörte man davon, daß deutsche Kontrollkommissionen einzelne Lager besichtigt hätten. Ich beschloß zu fliehen.

    Es gab im Lager einen jungen Landwirt, der mir besonders anstellig schien. Die Franzosen haben ein hübsches Wort für so einen, der sich geschickt aus allen peinlichen Lagen herauszuziehen weiß, sie nennen ihn einen Débrouillard. Mein junger Landwirt erschien mir als ein solcher Débrouillard; ich weiß heute nicht mehr, was mich auf diese Meinung brachte, und sie war wohl auch nicht richtig.
    Dieser junge Landwirt hatte sich schon vor Tagen erboten, mir bei einem Fluchtversuch behilflich zu

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