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Der Teufel in Frankreich

Der Teufel in Frankreich

Titel: Der Teufel in Frankreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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sein, und ihn wollte ich mitnehmen. Ohne Zögern war er bereit. Sofort, meinte er, jetzt in einer Viertelstunde sollten wir losziehen. Es war gegen elf Uhr morgens, über die Mittagsstunden waren die Straßen am schlechtesten bewacht, denn den Gendarmen, wie allen Franzosen, war die Essenszeit heilig.
    Einer aus der Gruppe des Anwalts und Redners F. hatte mir seinen Ausweis angeboten, einen jener Ausweise, mit denen seinerzeit der junge französische Offizier den Trupp Dr. F.s ausgestattet hatte. Diese Ausweise – man erinnert sich – waren gestempelt und unterschrieben, trugen aber keine Namen. Ich ließ mir jetzt von dem freundlichen jungen Mann den Ausweis geben.
    Dann machten wir uns fort, der Débrouillard und ich. Ich trug auf seinen Rat den Anzug, mit dem ich seinerzeit nach Les Milles gekommen war, einen städtischen Anzug, der, wie er fand, mich am wenigsten auf fällig machte. Unterm Arm hatte ich eine Aktenmappe mit Nachthemd, Kamm und Zahnbürste. Wir schlugen von Beginn an einen rüstigen Schritt ein, es war heiß, und mein Anzug erwies sich als nicht sehr geeignet für einen Marsch durch Unterholz und über steinige Bergpfade. Nicht nur war er zu warm, er war auch gleich voll von allerlei klettigem Zeug.
    Nach einer guten halben Stunde gerieten wir an einen Kreuzweg. Der Débrouillard, der ein derbes, volkstümlich klingendes Französisch sprach, begab sich in ein nahegelegenes Haus, um sich nach dem Weg zu erkundigen. Ich setzte mich auf eine niedrige Mauer aus ungefügten Steinen. Ich war müde nach dem raschen Marsch, ich saß in der Sonne, hart und unbequem, doch das Sitzen tat mir wohl. Ich sah meine zerkratzten Schuhe, meinen braunen, städtischen Anzug, an dem das klettige Zeug hing, neben mir lag die Aktentasche mit der Zahnbürste und dem Nachthemd. Ich spürte das Groteske der Situation, ich saß in der Sonne und lächelte.
    Zwei Männer kamen, schauten mich an, schauten einander an. Mir war nicht recht geheuer. Sie gingen an mir vorbei. Dann kam einer zurück und fragte auf deutsch: »Gehen Sie durch? Türmen Sie?« Ich zögerte mit der Antwort. Da lächelte er und sagte: »Sie türmen also. Sie haben recht, Sie sind mehr gefährdet als wir. Wir machen nämlich nur einen Ausflug. Wir sind Fremdenlegionäre. Viel Glück, Kamerad Feuchtwanger.«
    Mein Begleiter, der Débrouillard, kam zurück mit genauer Auskunft. Etwa eine Viertelstunde entfernt, schon jenseits des Hauptgefahrenpunktes, sei eine Autobushaltestelle. Wie wäre es, wenn wir den Autobus nähmen? Es sei gewagt, doch vielleicht am sichersten. Um die Mittagszeit fanden nur selten Kontrollen statt.
    Wir versuchten es. Der Autobus war voll, viele Soldaten waren darin, man machte uns freundlich Platz. Mein Begleiter ließ sich mit seinen Nachbarn in Gespräche ein, er hatte eine vertrauenerweckende Art. Überhaupt finden ja überall auf der Welt Bauern und Arbeiter leichter zueinander als wir andern.
    In der Vorstadt stiegen wir aus und setzten unsern Weg zu Fuß fort. Nachdem der Anfang so gut abgelaufen war, wollten wir gleich einen Autobus weiter nach Avignon nehmen. Um die Abfahrtstelle zu erreichen, mußten wir durch die Hauptstraße gehen. Sie war sehr belebt, sie war so, wie man uns gesagt hatte, die Stadt gurgelte von Flüchtlingen, überall waren Autos, in denen Leute schliefen, die Tore der öffentlichen Gebäude standen weit offen, und man sah, daß ihre Säle und Treppen belegt waren mit Strohlagern für die Flüchtlinge.
    Wir kamen an vielen Polizisten vorbei. Es war das erste Mal in meinem Leben, daß ich vorbeiging an Polizisten, von denen ich wußte, sie hätten das Recht und die Pflicht, mich festzunehmen. Ich schaute mir meine Polizisten an, mehr neugierig als ängstlich. Ich wurde frech, den nächsten Polizisten schaute ich lange an und prüfend. Er gab mir meinen Blick zurück, verwundert.
    Auf dem Platz, von dem der Autobus nach Avignon abfahren sollte, warteten viele Leute. Sie sprachen davon, daß man Passierscheine haben müsse. Wir schauten uns an. Der Autobus fuhr eine halbe Stunde vor der festgesetzten Abfahrtszeit vor. Man stieg ein, man drängte sich, es ergab sich, daß man lediglich Plätze belegte. So taten auch wir.
    Wir gingen in ein Café. Es gab keinen Kaffee, auch keinen Alkohol. Wir tranken irgend etwas Süßliches, künstlich Schmeckendes und aßen, da es kein Brot gab, etwas Kuchenartiges. Der Débrouillard besorgte Fleisch und Obst. Dann fuhr der Autobus, der inzwischen in der Garage gewesen

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