Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
das getrocknete Blut unter seinen Fingernägeln hervor. Er betrachtete sich in dem kleinen Spiegel, der auf dem Waschtisch stand. Der Spiegel war trüb und an den Rändern erblindet. Sein Gesicht wirkte hager. Dunkle Ringe umrahmten seine Augen. Ein Dreitagebart lag wie ein Schatten auf seinen Wangen, und er fuhr mit den Handflächen über die dunklen Stoppeln. Sie fühlten sich rau an wie Sandpapier. Er nahm sein Rasiermesser aus dem Lederbeutel und hielt es an sein Kinn. Nach einer Weile ließ er das Messer sinken. Er lächelte bei dem Gedanken daran, was Marie wohl zu einem Bart sagen würde, wenn sie hier ankäme. Er würde es auf einen Versuch ankommen lassen.
Als er fertig war, ging er hinüber ins Pfarrhaus. Im Flur empfing ihn erneut der Duft von frisch gebackenem Brot. Er traf Anna in der Küche an, wo sie auf dem quadratischen Tisch Teigfladen knetete. Mehlstaub tanzte im Licht vor den Fenstern. Die Wirtschafterin blickte auf. „Da sind Sie ja endlich“, sagte sie. „Xaver ist schon ganz schlecht gelaunt. Er ist im Klassenraum und sieht sich die Bescherung an. Wie geht es Ihnen?“
„Es ging mir schon besser“, sagte Erik.
„Benedikts Schnaps ist ein hinterhältiges Gebräu! Der Herr Pfarrer sollte das mittlerweile eigentlich wissen. Aus Erfahrung wird man klug, sagt man doch. Aber nicht er, oh nein! Das Zeug wird ihn eines Tages noch umbringen. Dabei ist er doch alt genug, sollte man meinen, um auf sich selbst aufzupassen.“
„Geht es ihm gut?“
„Gut? Das würde ich nicht sagen. Er wird das Bett heute nicht verlassen, dafür sorge ich schon! Er muss sich schonen.“ Sie bearbeitete den Teig so energisch, dass große Mehlwolken von der Tischplatte aufstoben. Dann knallte sie den Teigfladen auf den Tisch. „Ich sollte mich nicht so aufregen.“ Sie wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. Etwas Mehl blieb über ihren Augenbrauen hängen. „Haben Sie Hunger?“
Erik schüttelte den Kopf.
„Das kann ich mir vorstellen. Sie sehen gar nicht gut aus. Gar nicht gut. Konrad musste Sie in Ihr Bett tragen. Er war so freundlich, Sie und den Herrn Pfarrer auf seinem Fuhrwerk nach Hause zu bringen.“
„Wer ist Konrad?“
„Konrad Kleinschmidt. Der Schmied. Groß, schlank, blondes Haar. Haben Sie ihn nicht kennen gelernt?“
Erik kratzte sich am Kopf. „Ich glaube schon“, sagte er zögerlich. „Es ist alles ein bisschen verschwommen.“
„Er ist ein netter Junge“, sagte die Wirtschafterin. „Er hat sich rührend um Sie gekümmert. Er hat die Schmiede von seinem Vater übernommen. Sein Vater war nicht so nett wie er. Hat viel gesoffen seinerzeit. Hat den Jungen auch geschlagen, hört man. Die Frau ist ihm auf und davon, da war Konrad noch keine fünf Jahre alt. Er hat’s schon nicht leicht gehabt.“ Sie schüttelte den Kopf.
„Mein Wagen steht draußen vor dem Gästehaus.“
„Ja, den hat Konrad hergebracht.“ Sie nickte. „Ich habe ihm gestern Abend noch Bescheid gesagt, und er hat sich gleich darum gekümmert. Er hat den Wagen beim alten Bergwerk gefunden, direkt an der Abzweigung, wie Sie gesagt hatten. Er hat die Gäule angespannt. Sagt, es war ganz leicht. Na ja.“
„Sieht so aus, als würde ich Konrad einiges schulden. Vielen Dank, dass Sie ihm Bescheid gegeben haben.“
Sie winkte ab. „Sie sollten wirklich etwas essen, sobald es Ihrem Magen wieder besser geht. Das Brot hier ist ganz frisch, und Xaver hat uns kalten Schweinebraten und Blutwurst vom Fest gestern Abend mitgebracht, mit den besten Grüßen von Benedikt.“
Anna nahm den Teekessel von der Herdplatte und goss kochendes Wasser in eine Tasse. „Wären Sie so freundlich, dem Herrn Pfarrer seinen Tee zu bringen? Ich musste heute schon dreimal die steile Treppe hinauf.“
„Natürlich. Ich wollte sowieso mit ihm reden.“
„Aber machen Sie schnell. Sie sollten Xaver nicht allzu lange warten lassen, sonst werden Sie heute nichts zu lachen haben, das kann ich Ihnen versprechen.“
Erik nahm die Tasse entgegen. Ein schwerer, süßer Geruch stieg daraus auf. Er rümpfte die Nase. „Was ist das?“
„Ein Kräutertee“, sagte die Wirtschafterin. „Hier in der Gegend wachsen sehr gute Kräuter. Manche von ihnen sind sehr wirksam! Ein paar davon sind giftig, und andere haben heilende Wirkung. Aber davon wisst ihr Stadtmenschen ja nichts mehr. Diese Kräuter hier sind gut für den Herrn Pfarrer. Bringen Sie ihm seinen Tee, ehe er kalt wird.“
„Gut“, sagte Erik. „Ich bin schon
Weitere Kostenlose Bücher