Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
ließ Erik den Kopf aufs Kissen sinken. Die Anspannung wich nur langsam von ihm. Bevor er endlich wieder einschlief, stand er auf und schloss die Eingangstür ab.
Kapitel 20
Erik erwachte, als das erste Licht des Tages durch die Fenster des Gästehauses sickerte. Er stand auf, ging zum Waschtisch hinüber und betrachtete sein Gesicht lange im Spiegel. Er sah krank aus. Die Augen lagen tief in den Höhlen und waren von schwarzen Schatten umrandet. Sein Bart hob sich dicht und dunkel von seiner blassen Haut ab.
Im Pfarrhaus fand er Thomas Hellermann und Anna beim gemeinsamen Frühstück am Küchentisch vor.
Anna stand auf. „Ich hole Ihnen eine Tasse Kaffee.“
„Danke“, sagte Erik. Er ließ sich auf der Eckbank nieder.
„Geht es Ihnen besser?“, fragte Thomas Hellermann.
„Ich denke schon.“
„Gestern war ein furchtbarer Tag für uns alle.“ Seine hellgrünen Augen waren auf Erik gerichtet, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Der Blick des Pfarrers wanderte zum Fenster hinüber. Er sah lange Zeit schweigend hinaus.
„Thomas?“, fragte Erik. „Ist alles in Ordnung?“
„Wir werden Mathilda in einer Stunde beerdigen“, sagte der Pfarrer schließlich.
Die Wirtschafterin reichte ihm eine Kaffeetasse. „Wir haben über die Beerdigung gesprochen. Und wir glauben, dass es das Beste wäre, wenn Sie nicht mitkämen.“
Erik nickte langsam.
„Ich hoffe, das ist kein Problem für Sie, Erik.“ Der Pfarrer sah ihn aus müden Augen an.
„Nein“, sagte Erik schnell. „ Kein Problem. Ich habe schon genug angerichtet.“
Thomas Hellermann seufzte. „Machen Sie sich ein paar ruhige Stunden, Erik. Lesen Sie ein gutes Buch. Sie können sich gerne eines aus der Bibliothek leihen. Oder gehen Sie spazier en, atmen Sie die frische Luft.“
„Ich will auf den Gletscher .“ Die Worte kamen schnell und wie von selbst.
Thomas Hellermann sah ihn aus dunklen Augenhöhlen an. Für ein paar Sekunden schien er zu überlegen. „Ich habe es Ihnen bereits gesagt, Erik“, sagte er dann. „Es ist gefährlich da oben.“
„Dann geben Sie mir einen Führer!“
Der Pfarrer stand auf und ließ dabei ein leises Stöhnen hören. Er sah lange auf Erik hinunter. „Ein andermal vielleicht. Heute sollten Sie sich ein bisschen erholen. Kommen Sie auf andere Gedanken! Und genießen Sie diesen herrlichen Tag, es könnte der letzte in diesem Jahr sein. Bald kommt der Regen, und danach der Schnee und das Eis, die Winterstürme und die Dunkelheit.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist schrecklich für mich, wenn ein Mitglied der Gemeinde uns verlässt, auch wenn es alt und krank war. Aber ich muss meinen persönlichen Schmerz hintanstellen und versuchen, den Schmerz der Angehörigen zu lindern. Ich habe noch eine Menge vorzubereiten. Entschuldigen Sie mich, Erik.“
„Wegen gestern Nacht ...“
„Reden wir nicht mehr darüber. Wenn Sie das Zimmer noch einmal sehen möchten, warten Sie bitte nicht auf mich. Konrad wird Sie hereinlassen.“
Erik spürte heiße Röte auf seinem Gesicht. „Danke, Thomas“, murmelte er.
Thomas Hellermann ging hinaus. Erik und Anna sahen ihm nach. Sie hörten, wie er Schritt für Schritt die Treppe ins Obergeschoss erklomm. Dumpf pochte sein Stock auf den Teppich auf den Holzstufen. Danach war das Ticken der Uhren für eine Weile das einzige Geräusch in der warmen Küche, in der es nach Kaffee und frisch gebackenem Brot duftete.
„Erik“, sagte Anna leise. „Was haben Sie getan?“
Erik spürte die Angst in sein Inneres sickern. Sie sammelte sich in seinem Magen zu einer kalten Pfütze.
„Getan?“, fragte er tonlos. „Was meinen Sie?“
„Stellen Sie sich nicht dumm, Erik!“, rief sie.
„Was soll ich denn getan haben, Anna?“
„Irgendetwas stimmt nicht mit Ihnen, das merke ich. Was hatten Sie bei Konrad zu suchen, im Zimmer der armen Mathilda, Gott hab sie selig?“ Sie schniefte. „Und sich so aufzuführen!“
„Es tut mir ehrlich leid, Anna“, sagte Erik. Und als er es sagte, stellte er fest, dass er es wirklich so meinte.
„Ist der Herr Pfarrer nur deswegen so seltsam?“, fragte sie und schnäuzte in ein großes, weißes Taschentuch. „Er war den ganzen Morgen über so sonderbar. Sie sollten ihn nicht zornig machen, Erik. Wirklich nicht. Er war heute Nacht sehr aufgebracht. Was um Gottes Willen haben Sie getan?“
„Ich habe gar nichts getan.“
Anna schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Eine Träne kullerte ihre Wange hinunter. „Ich mag Sie,
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