Der Teufel mit den blonden Haaren
Teller.
„Vielleicht wäre es wirklich das beste“, sagte sie. „Aber mein Mann ist anderer Ansicht. Er rief heute vormittag an und sagte, wahrscheinlich könne er alles in Ordnung bringen, Sie sollten noch ein paar Tage hierbleiben. Ich möchte nichts gegen den Willen meines Mannes entscheiden. Gefällt es Ihnen denn bei uns so wenig?“
„Im Gegenteil“, sagte Gaby. „Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so frei und glücklich gefühlt wie hier.“
„Aber?“
Gaby zuckte mit den Schultern und tat, als sei das von ihr selbst herausgeforderte aber eine Sache, über die sie nicht gern sprechen wollte. Endlich sagte sie:
„Ich fürchte, Toni hat sich in mich verliebt.“
Zu ihrer Überraschung lächelte Tonis Mutter.
„Das habe ich auch schon gemerkt. Heute morgen hat er eine halbe Stunde im Bad gebraucht, und in Tölz ließ er sich die Haare schneiden. Das bedeutet für ihn ein großes Opfer.“
Gabriele tat erstaunt.
„Und das regt Sie nicht auf? Sie wissen doch, daß ich keine blütenreine Vergangenheit habe und daß ich — nun ja, daß ich immerhin im Augenblick noch verdächtig bin, einem Bankräuber geholfen zu haben.“
Frau Ingrid rührte gedankenverloren in ihrem Tee.
„Mich regt so leicht nichts auf“, sagte sie endlich. „Ich finde immer, wenn man aufgeregt ist, macht man erst recht nur Fehler.“
„Ich mag Toni sehr gern“, erklärte Gaby. „Aber ich bin mir zugleich bewußt, daß Sie und Ihr Mann sich ganz bestimmt eine andere Schwiegertochter wünschen.“
„Kein Mensch kann in das Herz eines anderen hineinschauen. Vielleicht wären Sie ganz anders geworden, wenn... sagen Sie, Gaby, wie war Ihr Elternhaus?“
Gaby benützte die Gelegenheit, um Tonis Mutter eine lange und rührselige Geschichte, aus Dichtung und Wahrheit gemischt, zu erzählen. Ihr Vater sei als Vertreter die ganze Woche über unterwegs gewesen, die Mutter habe sich um Gabriele nie viel gekümmert, und eigentlich sei sie mehr bei den Nachbarn aufgewachsen als zu Hause. „Und eines Tages“, beendete sie ihre Geschichte, „eines Tages war in der Schule Geld verschwunden. Man beschuldigte mich, ich hätte es gestohlen, und so flog ich von der Schule. Erst viel später stellte es sich heraus, daß ich es nicht gewesen bin. Sabine war damals die Hauptzeugin gegen mich. Aber ich habe ihr das längst verziehen, schließlich waren wir noch halbe Kinder. Aber einen Knacks hat mir das damals gegeben, ich flüchtete mich zu einem Freund, weil meine Mutter auch der Schule mehr glaubte als mir. Und da ist es passiert.“
Frau Ingrid schaute das Mädchen lange an. Ihre Zweifel an Gaby, heute morgen noch laut und deutlich, verstummten in ihrem Inneren. Ein Mädchen, das so offen sprechen konnte, das einen so offen anschaute, nein, der Kern dieses Mädchens war gut.
„Ich werde mit Toni reden“, sagte sie plötzlich. „Es muß doch nicht gleich verlobt oder geheiratet werden. Er ist noch jung, Sie verstehen sicherlich, wie ich das meine. Und Sie sind zu klug, um sich schon jetzt an einen jungen Mann zu binden, der noch gar nicht wissen kann, was er will. Aber ich habe nichts gegen eine Freundschaft, und wenn Ihnen unser Haus ein Heim werden kann, soll es mich freuen.“
Gaby brachte es gerade noch rechtzeitig fertig, ein paar Tränen über ihre Wangen kullern zu lassen. Mit vor Rührung erstickter Stimme sagte sie:
„Ich danke Ihnen, Frau Mercker, ich danke Ihnen so sehr! So mütterlich — hat noch niemand mit mir gesprochen. Und ich verspreche Ihnen, ich werde Sie niemals enttäuschen.“
„Schon gut“, sagte Ingrid Mercker nur.
Draußen schneite es immer noch, die weiße Decke wuchs, auf den Latten des Gartenzauns saßen kleine, weiße Mützchen.
„Darf ich Sie etwas fragen?“ begann Gaby nach einer gebührend langen Pause.
„Aber gewiß.“
„War Ihre Ehe glücklich? Ich meine — ist das, was ich hier erleben darf das Zeichen für eine glückliche Ehe?“
„Natürlich“, sagte Frau Ingrid. „Aber warum sagen Sie ,war’? Mein Mann und ich sind heute noch glücklich.“
„Muß das schön sein! Aber was würden Sie tun, wenn Sie plötzlich entdeckten, daß Ihr Mann Sie betrügt?“
„Das tut er nicht, und darüber habe ich noch nie nachgedacht.“
Gaby schüttelte verwundert den Kopf.
„Noch nie nachgedacht? Ich glaube, wenn ich verheiratet wäre, müßte ich immer daran denken. Ihr Mann bleibt doch manchmal über Nacht fort, wie gerade heute. Da haben Sie überhaupt keine
Weitere Kostenlose Bücher