Der Teufel trägt Prada
machen. Es kam mir wirklich fast so vor, als hätte sie mich angehört und verstanden . Verstanden und ihr Okay gegeben. Es wollte mir einfach nicht ins Hirn.
Beim Ausziehen ließ ich mir Zeit und kostete in Gedanken den Abend noch einmal aus; sah Christian vor mir, wie er mich durchs Haus und übers Parkett geführt hatte, seinen Schlafzimmerblick, die ewige Locke, und Mirandas unmerkliches Nicken, als ich ihr anvertraute, dass ich vom Schreiben träumte. Was für ein Abend. Einer der besten in jüngster Zeit. Hier in Paris war es mittlerweile halb vier, in New York demnach halb zehn – die ideale Zeit, um Lily noch zu erwischen, bevor sie zu ihrem Zug durch die Gemeinde aufbrach. Doch statt einfach ihre Nummer
zu wählen und das hartnäckige Blinken zu ignorieren, das – na welche Überraschung – eine volle Mailbox signalisierte, schnappte ich mir pflichtbewusst und doch frohgemut einen Bogen Hotelbriefpapier und zückte den Kugelschreiber. Jede Menge nervtötende Anfragen nervtötender Zeitgenossen, so sicher wie das Amen im Gebet – doch was konnten sie Aschenputtel nach dem Tanz mit ihrem Traumprinzen an diesem Abend schon noch anhaben?
Die ersten drei Nachrichten waren Bestätigungen von Monsieur Renaud und seinen Assistenten bezüglich diverser Chauffeurdienste und Termine für den bereits angebrochenen Tag. Alle endeten mit einem Gutenachtgruß, was mich rührte. Offenbar betrachteten die Herren mich als menschliches Wesen und nicht bloß als gesichtslose Sklavin. Zwischendurch ertappte ich mich bei einem Gefühl zwischen Hoffen und Bangen, ob wohl etwas von Alex dabei war. Prompt erklang an vierter Stelle seine Stimme.
»Hi, Andy, ich bin’s, Alex. Tut mir Leid, dass ich dich da drüben belästige, ich weiß, dass du irrsinnig zu tun hast, aber es gibt etwas zu besprechen, also ruf mich bitte auf meinem Handy zurück, sobald du die Botschaft gekriegt hast. Macht nichts, wenn’s später wird, aber ruf an, okay? Äh, okay. Ciao.«
Kein »Ich liebe dich«, kein »Du fehlst mir« oder »Hoffentlich bist du bald wieder da«, aber dergleichen fiel wohl unter die Kategorie »Unangebracht«, wenn man sich für eine Auszeit entschieden hatte. Ich löschte die Nachricht und beschloss, einer spontanen Eingebung folgend, den Rückruf auf morgen zu verschieben. So dringend hatte seine Stimme auch wieder nicht geklungen, und jetzt, um halb vier Uhr früh nach einem traumhaften Abend, war ich nicht mehr in der besten Verfassung für ein ausgedehntes Gespräch über den »derzeitigen Stand unserer Beziehung«.
Die letzte Botschaft stammte von meiner Mom und gab mir ähnlich viele Rätsel auf.
»Hallo, Schätzchen, hier ist Mom. Bei uns ist es jetzt ungefähr acht Uhr, keine Ahnung, wie spät es bei euch ist. Hör zu, es ist nichts Schlimmes – alles so weit in Ordnung -, aber es wäre schön, wenn du zurückrufen könntest. Wir bleiben noch ein Weilchen auf, es kann also ruhig später werden, aber bitte auf jeden Fall möglichst noch heute. Wir hoffen beide, dass du dich gut amüsierst, und wir reden dann später. Alles Liebe!«
Seltsam. Sehr seltsam. Sowohl Alex wie meine Mutter hatten von sich aus in Paris angerufen und darum ersucht, dass ich sie notfalls mitten in der Nacht zurückrief. Nachdem »lange aufbleiben« für meine Eltern hieß, sich maximal bis zu Lettermans Eingangsgeschwafel wach zu halten, wusste ich, dass irgendwas im Busch war. Andererseits hatte sich keiner von beiden sonderlich beunruhigt oder völlig von der Rolle angehört. Am besten, ich gönnte mir erst mal ein ausgiebiges, genüssliches Schaumbad mit allem, was das Ritz diesbezüglich zu bieten hatte, und tankte dabei genügend auf, um mir irgendwelchen Quark von meiner Mutter anzuhören oder mit Alex den Stand der Dinge zu diskutieren, ohne dass mein himmlischer Abend komplett im Eimer war.
Ein schönes heißes Bad und aller Luxus, den man von der Juniorausgabe der Coco-Chanel-Suite im Pariser Ritz erwarten durfte, einschließlich der zart duftenden Feuchtigkeitslotion, mit der ich mich hinterher einrieb. Zu guter Letzt hüllte ich meinen rundum verhätschelten Leib in den flauschigsten Frotteebademantel, den er je zu spüren bekommen hatte, und wählte, ohne weiter nachzudenken, zuerst die Nummer meiner Eltern. Ein Fehler, wie sich herausstellte: schon das »Hallo«, mit dem Mom sich meldete, klang schwer gestresst.
»Hey, ich bin’s. Ist alles okay? Ich wollte mich sowieso morgen rühren, hier war bisher bloß einfach die
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