Der Teufel und die Lady
dass er nicht natürlichen Ursprungs war. Sie ging darauf zu. »Was ist …?«
Die Frage erstarb auf ihren Lippen, als ihr aufging, dass es ein Steingrab sein mochte, in dem vielleicht Cullens Vater lag. Oder seine erste Ehefrau.
»Dort liegt Jenny«, erklärte ihr Gatte. »Biddys Schwester.«
Evelinde zögerte. »Ihr meint, sie liegt tatsächlich unter diesen Steinen hier begraben?«, fragte sie dann.
Cullen nickte.
»Warum?« Evelinde sah ihn missbilligend an.
»Weil Biddy sie dort bestattet haben wollte«, entgegnete er schlicht. Als er ihre verwirrte Miene sah, erklärte er: »Sie hat sich selbst das Leben genommen und konnte daher nicht auf geweihtem Boden beigesetzt werden. Sie mochte diesen Ort und war oft hier, daher hat Biddy bestimmt, dass dies ihre letzte Ruhestätte sein solle.«
»Sie hat sich selbst das Leben genommen?« Sie betrachtete das steinerne Grab. »Aber wieso?«
Sein Blick verfinsterte sich. »Ich war damals erst vierzehn Jahre alt, doch inzwischen habe ich erfahren, dass sie den Campbell ehelichen sollte.«
»Den Campbell?«
»Aye, er ist vor fünf Jahren gestorben«, knurrte ihr Gemahl. »Er war ein bösartiger Bastard, grausam und gewalttätig. Es heißt, Jenny habe sich lieber umgebracht, als ihn zu heiraten.«
Evelinde nickte, war in Gedanken jedoch kaum mit dem Campbell beschäftigt. »Ihr wart vierzehn, als sie starb?«, fragte sie. »Das war dasselbe Jahr, in dem auch Euer Onkel starb, nicht wahr?«
»Aye« ,bestätigte er. »Sie starb nur zwei Wochen vor dem Jagdunfall.«
Evelinde wandte sich langsam um und ließ den Blick dorthin gleiten, wo die Klippen jäh nach unten abfielen. Es war ein öder Ort, einsam und kalt. »Und Jenny hat diesen Ort wirklich gemocht?«
»Aye, sie ist sehr oft hierhergekommen, als sie uns das erste Mal besucht hat.«
»Aber umgebracht hat sie sich nicht bei ihrem ersten Besuch?«, bohrte Evelinde weiter.
»Nay« ,erwiderte Cullen. »Zwei Monate, nachdem sie erstmals hier war, kam sie wieder. Sie war um einiges jünger als Biddy und sollte bei ihrem ersten Besuch eigentlich einen ganzen Monat bleiben, reiste dann aber bereits nach drei Wochen wieder ab. Sehr zu Tralins Enttäuschung. Für ihn war sie das hübscheste Mädchen, das er je gesehen hatte«, offenbarte er ihr.
Sie lächelte, froh darüber, dass er ihr dies anvertraute, ja überhaupt mit ihr sprach. »Und Ihr? Wie fandet Ihr sie?«, wollte Evelinde wissen, vor allem, um das Gespräch fortzuführen.
»Hübsch war sie schon«, gab Cullen achselzuckend zu. »Doch ich war nicht so sehr von ihr angetan wir Tralin.«
Insgeheim freute sie sich, dies zu hören, ging aber nicht darauf ein. »Und dann kehrte sie zwei Wochen vor dem Tod Eures Onkels zurück?«, fragte sie.
»Richtig. Sie kam unerwartet und bat darum, mit Onkel Darach zu sprechen.«
»Warum mit Eurem Onkel?«, fragte Evelinde überrascht. »Warum nicht mit Biddy?«
»Darach war der Laird.« Er zuckte mit den Schultern. »Wenn irgendwer ihr Zuflucht gewähren konnte, dann er. Er nahm sie mit auf einen Ausritt, damit sie ihm sagen konnte, was sie zu sagen hatte, doch anscheinend verwehrte er ihr den Wunsch, sie aufzunehmen, denn als sie zur Burg zurückkehrte, weinte sie, rannte hinauf in ihr Gemach und weigerte sich herauszukommen. Biddy fand sie am nächsten Morgen. Jenny hatte sich im Wohngemach erhängt.«
Evelinde hob die Brauen. Das erklärte, warum dieses Gemach leer stand. Sie vermutete, dass Biddy es hatte räumen lassen, um dann nie wieder einen Fuß hineinzusetzen, denn jedes Mal hätte sie nur erneut das Bild von ihrer toten Schwester vor Augen gehabt.
»Kommt.« Er ergriff ihren Arm und führte sie zurück zu seinem Pferd.
Es freute Evelinde, dass ihr Gemahl endlich doch mit ihr redete, aber dennoch blieb sie schweigsam, während er sie in den Sattel hob und sich dann selbst auf den Pferderücken schwang. Zu beschäftigt war sie mit dem, was sie gerade erfahren hatte. Biddys Schwester war zwei Wochen vor Cullens Onkel gestorben und hier an der Stelle begraben worden, an der später sein Vater sowie seine erste Gattin ums Leben gekommen waren. Ein merkwürdiger Zufall – wenn es denn ein Zufall war.
13. KAPITEL
»Ich danke dir«, murmelte Evelinde, als Mildrede ihr Honigmet nachschenkte. Dann ließ sie den Blick durch die große Halle wandern. Cullen hatte sie heute Morgen nicht geweckt, und als sie schließlich in die Halle gekommen war, hatten bereits alle ihre morgendliche Mahlzeit beendet. Nun war sie
Weitere Kostenlose Bücher