Der Teufel von Herrenhausen
Twingo umstieg. Sie fuhr nach Sehnde, um sich in der dortigen
Rossmann-Filiale mit den Exkollegen und -mitarbeitern der Toten zu unterhalten.
Bergheim würde sich mit Kramer auf die Suche nach Timon Wegener machen.
Sehnde war eine
vom Kaliabbau geprägte Kleinstadt in ländlicher Umgebung, etwa zwanzig
Kilometer südöstlich von Hannover, die sich durch die Nähe und verkehrsgünstige
Lage zur Landeshauptstadt und zum nahe gelegenen südlichen Hildesheim zu einer
begehrten Wohngegend für Familien entwickelt hatte. Gegenüber der alten
Kreuzkirche erhob sich trutzig die Kalihalde – von den Bewohnern liebevoll
»Kalimandscharo« genannt –, von der man einen weiten Blick ins Umland genießen
konnte.
Sie parkten in der
Mittelstraße. Neben der Rossmann-Filiale, gegenüber der Volksbank, stand eine
alte, mit Blumen bepflanzte Lore. Als sie die Filiale betraten, fragten sie
eine Frau mittleren Alters in einem weißen Kittel, die gerade dabei war, Seifen
in die Regale zu packen, nach der Filialleitung.
Die Frau guckte
zunächst verdutzt, war aber von dem Polizeiausweis, den Charlotte ihr hinhielt,
schwer beeindruckt. »Kommen Sie nach hinten ins Büro«, sagte sie.
Sie führte sie
durch den Laden über einen dunklen Flur, der mit Paketen vollgestellt war, in
ein kleines Büro, wo eine junge blonde Schönheit mit forschem Blick hinter
einem Schreibtisch saß, der fast den gesamten Büroraum einnahm. Charlotte
fragte sich, wo sie hier alle Platz finden sollten.
Frau Brehmke, so
hieß die blonde Schöne laut dem Button, den sie am Kittel trug, erhob sich und
reichte Charlotte und Maren mit einem Lächeln die Hand.
»Es ist ein
bisschen eng, wir sind gerade am Umbauen. Frau Zeisler, könnten Sie noch einen
Stuhl beschaffen?« Frau Zeisler, die es leider nicht mehr geschafft hatte, sich
zeitig genug aus dem Staub zu machen, murrte etwas, das sich nach Zustimmung
anhörte, verschwand und erschien wenige Sekunden später mit einem dreibeinigen
Schemel in der Tür.
»Bitte«, sagte
Frau Brehmke. Charlotte griff sich todesmutig den Schemel und überließ Maren
den anderen Stuhl.
»Sie haben ja
schon angedeutet, dass es sich um die frühere Filialleiterin, Frau Frieder,
handelt.« Frau Brehmke seufzte kummervoll. »Eine schlimme Sache. Was sind das
nur für Menschen, die einen anderen umbringen? Meine Güte, ich hatte schon
Schwierigkeiten, mal eine Maus zu erschlagen, die jemand einfach mit dem
Fahrrad überfahren und halb tot liegen gelassen hatte.« Diesen Worten folgte
ein vorwurfsvolles Schweigen. »Nun ja«, sagte sie dann, »wie kann ich Ihnen
denn nun helfen?«
»Sie haben Frau
Frieder im Krankheitsfall vertreten, stimmt das?«, fragte Charlotte.
Frau Brehmke
nickte. »Ja, das stimmt. Aber … Sie müssen wissen, eigentlich hab ich den Laden
immer geführt. Frau Frieder war ja ständig … krank.«
»Hatten Sie ein
gutes Verhältnis zu ihr?«, fragte Charlotte.
»Na ja«, Frau
Brehmke zuckte mit einer Schulter, »eigentlich schon. Wenn sie nicht ›krank‹
war«, sie strichelte Gänsefüßchen in die Luft, »war sie echt nett. Und am
Anfang hat sie die Filiale auch gut geführt, bloß nicht lange. Gerade mal
anderthalb Jahre, um genau zu sein. Dann haben wir sie nur noch die Regale
auffüllen lassen – und irgendwann ging auch das nicht mehr. Dann hat sie sich
endlich helfen lassen.«
»Hatten Sie auch
privat Kontakt mit ihr?«, fragte Maren.
»Am Anfang schon.
An ihrem dreiundvierzigsten Geburtstag hat sie mich sogar zum Kaffee
eingeladen.«
»War außer Ihnen
noch jemand da?«
»Eine Freundin von
ihr. Ihre Tochter und deren Freund – oder Mann – hatten abgesagt, das weiß ich
noch.«
Charlotte ruckte
vor und wäre beinahe vom Schemel gefallen. Sie konnte sich gerade noch fangen.
»Können Sie sich an den Namen der Frau erinnern?«
Frau Brehmke
krauste die Stirn. »Also, ich hab ein ganz schlechtes Namensgedächtnis. Der
Vorname war irgendwie ganz normal und der Nachname … Warten Sie, sie war bei
einer Versicherung – der Allianz. Das weiß ich noch, weil sie mir unbedingt eine
aufschwatzen wollte. Hat überhaupt ziemlich viel geredet. Aber wie die jetzt
hieß… Oh, und sie hat gesagt, sie ist Sekretärin, daran erinnere ich mich noch,
und sie hatte ein eigenes Büro. Da hat sie mehrmals drauf hingewiesen.« Frau
Brehmke verdrehte die Augen.
»Können Sie sich
sonst an irgendeine Einzelheit erinnern?«, fragte Charlotte. »Etwas, das uns
helfen könnte, diese Freundin ausfindig zu
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