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Der Teufel von New York

Der Teufel von New York

Titel: Der Teufel von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyndsay Faye
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im Gefängnis absitzen müssen. Sollten mit den Ratten Zwiesprache halten, mit denen sie lebende Menschen so gern vergleichen. Ich denke, wenn diese Leute eine Chance bekommen,echte Ratten kennenzulernen, dann fangen sie an, den Vergleich mit Wörtern wie Ire und Schwarzer und Dieb und vielleicht sogar Hure zu vergessen. Und in meinen Augen haben sie jede Minute davon verdient. Aber meine Meinung zählte jetzt nicht.
    Ich ließ Mercy gut eingewickelt beim langsam abkühlenden Ofen zurück. Dann sperrte ich den Reverend in seinen eigenen Gartenschuppen, gleich neben der Kirche. Packte ihn fürs Erste einfach zu den Schaufeln und Rechen. Und da ich nicht wollte, dass Mercy ihn fand, nahm ich den Schlüssel an mich.
    Ich atmete tief durch, versuchte, ganz ruhig zu werden, und blickte über den Kirchhof auf die friedlichen Grabsteine. Alles war in ein honigfarbenes Licht getaucht. Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, aber ich konnte den Sog spüren. Es würde fast wie im Herbst sein, stellte ich mir vor, ein langsames Erlöschen. Das Licht im August verweilt gewöhnlich gern ein wenig und wartet auf schlechte Nachrichten, aber diese Sonne zeigte sich barmherziger. Ich brauchte Barmherzigkeit. Ich fühlte mich wie tot vor Müdigkeit.
    Für die Suche nach jemandem, dessen Zeit käuflich war, brauchte ich vierzig Sekunden. Ich fand eine kleine Maisverkäuferin mit einer leichten Hasenscharte, kaufte ihr mit Parteigeld ihre ganze Ware ab und schickte sie los, um Dr. Peter Palsgrave, dem Mercy fraglos vertraute, zum Haus der Underhills zu holen.
    Dann ging ich los, um dem kältesten Killer gegenüberzutreten, den man sich nur vorstellen kann. Der Reverend war wahnsinnig gewesen, aber meine nächste Jagdbeute hatte keine so praktische Entschuldigung.

26
    Erinnern wir uns, dass der Papismus heute nicht anders ist als im Mittelalter. Die Welt hat sich verändert, aber der papistische Glaube, seine Gefühle, seine Habgier und sein Ehrgeiz sind ungebrochen.
    Amerikanische Protestanten zur Verteidigung
    der Bürgerlichen und Religiösen Freiheit
    gegen den Vormarsch des Papsttums, 1843.
    Silkie Marsh war leider nicht zu Hause, und man schickte mich zum Theater in Niblo’s Gardens, zwischen der Prince Street und dem Broadway – in das Etablissement, für dessen Feuerwerkseinlagen Hopstill zuständig war, obwohl ich bezweifle, dass er jemals eine der Aufführungen gesehen hatte.
    Als ich dort ankam, erstrahlte der Himmel in einem klaren Herbstblau über dem üppigen Grün der Pflanzen und der noch üppiger schimmernden Menge vor dem Theater. Ich bahnte mir einen Weg zwischen den Verkäufern von glasierten Äpfeln und den großen grünen Blättern hindurch und betrat das Theater. An jenem Abend sollte eine Sängerin auftreten, eine Abwechslung zu den ewigen Akrobaten. Ich gab einem Jungen, der mit einer Schiffchenmütze aus Papier auf dem Kopf Erdnüsse verkaufte, eine Münze und erfuhr im Gegenzug von ihm, auf welchem Platz Silkie Marsh an diesem Abend saß. Meinen Polizeistern als Eintrittsbillet vorzeigend, stieg ich die Stufen hinauf.
    Silkie Marsh thronte in einer wie ein Schmuckkästchen ausgestatteten Theaterloge, sie selbst das Kronjuwel darin. Kühl wie geschliffener Stein, und in etwa so zerbrechlich wie ein Diamant.Eine glanzvolle Erscheinung, kalt, vollkommen. Und das Einzige, worauf ich zählen konnte, meine einzige Waffe, war, dass ich sie durchschaute.
    »Gentlemen, lassen Sie uns bitte allein«, sagte ich zu den beiden Stenzen, die sie begleiteten. Mit ihren pomadisierten Schnurrbärten und ihren perfekt geschnittenen Anzügen waren sie so hübsch wie Gemälde – und ebenso flach.
    »Mr. Wilde«, sagte Silkie Marsh mit süßer Stimme und einem Blick, der vor Ärger Funken sprühte, »Sie sind selbstverständlich herzlich eingeladen, falls Sie sich unserer kleinen Gesellschaft anschließen möchten, doch ich wüsste nicht, warum um alles in der Welt meine Freunde gehen sollten.«
    »Ach nein? Ich kann Ihnen gleich zwei Gründe nennen. Erstens habe ich das brennende Bedürfnis, die beiden in den Tombs zu dem Thema New Yorker Bordelle zu befragen. Das könnte Stunden dauern, denke ich mal. Falls sie sich nicht aus dem Staub machen, noch ehe ich überhaupt bemerke, dass sie hier sind. Zweitens schätzen sie vielleicht die Kinder in Ihrem Etablissement, aber ich wette mit Ihnen, über tote Kinder unterhalten sie sich bestimmt nicht so gern.«
    Fünf Sekunden später war die Gegenwart der beiden nur noch

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