Der Teufelsfürst
das nächste Kleeblatt auf den Platz, dem schon bald die dritte Gruppe folgte. Der Katzensteiner zog verächtlich die Oberlippe hoch, als kurz nach Beginn dieser Runde einer der jungen Burschen einen vermeidbaren Schnitzer machte. Gier und blindes Streben nach Geltung vernebelten manch einem offenbar das Gehirn! Stimmten die Gerüchte, befanden sich sogar mehrere der Kämpen in Fehde miteinander. Und obgleich der Turnierfrieden sie dazu verpflichtete, ihre Streitereien ruhen zu lassen, schürte diese Feindseligkeit ihren Kampfeifer. Bissig wie junge Hunde, dachte Johann. Voller Ungestüm und Ehrgeiz. Mancher büßte gar seine kostbarste Zier ein, weil er nach den Damen sah, von denen er sich einen Preis erhoffte. Einer nach dem anderen verlor sein cleinot, und als nach etwas mehr als einer halben Stunde endlich Johanns Gruppe an der Reihe war, platzte er beinahe vor Kampfeslust.
Sein Nebenmann war an seinen Farben als ein Ritter aus der Nähe von Esslingen zu erkennen, wohingegen die beiden Gegner Sankt Wilhelm anzugehören schienen. Sobald das Zeichen zum Anreiten gegeben wurde, trieb Johann seinem Hengst die Fersen in die Flanken und preschte auf einen Ritter mit einem albernen Röschen auf dem Helm zu, der ihm jedoch geschickt auswich. Wendig wie ein Aal duckte sich dieser unter Johanns Kolben hindurch, riss seinen Fuchs herum und versetzte Johann einen gewaltigen Hieb gegen den Helm.
Hätte der Katzensteiner sich nicht im letzten Moment zur Seite gedreht, wäre der Kampf für ihn zu Ende gewesen. In diesem Fall hätte er mehr zu beklagen gehabt als den Verlust seiner Überheblichkeit. Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte er, das Dröhnen in seinen Ohren zu vertreiben, während er gleichzeitig Abstand zwischen sich und seinen Gegner brachte. Wie hatte das passieren können, haderte er und schwang die Holzstangen drohend über dem Kopf seines Reittieres, um zu verhindern, dass der andere ihm zu nahe kam, ehe er sich wieder gefangen hatte.
Da sein Gegner diese Taktik jedoch zu durchschauen schien, versuchte er, in Johanns Rücken zu gelangen – was ihm nach kurzer Zeit auch gelang. Ein weiterer Schlag verfehlte Johanns Helmzier nur um Haaresbreite. Und das Aufblitzen der Zähne seines Gegners hinter dem vergitterten Visier versetzte ihn so sehr in Rage, dass er sich einen Augenblick lang vergaß und seinem Zorn freien Lauf ließ. Zu seinem Glück erkannte sein offenbar blutjunger Gegner die Blöße nicht, die er sich dadurch gab. Überwältigt von der plötzlichen Wucht der Hiebe wich er vor Johann zurück. Innerhalb kurzer Zeit gelang es dem Katzensteiner, den gegnerischen Ritter derart in Bedrängnis zu bringen, dass dieser einen schwerwiegenden Fehler beging. Das Röschen auf seinem Helm – getroffen von Johanns Kolben – flog im hohen Bogen durch die Luft. Mit einem triumphierenden Ausruf fing Johann das Schlagende seines Schlegels auf, gab dem Herold ein Zeichen, damit dieser seinen Sieg festhielt, und trabte zurück zu der Linie, hinter der bereits die nächsten Kämpfer warteten. Mit jedem Huftritt, den er sich vom Kampfplatz entfernte, wich das Siegesgefühl jedoch dem Ärger über den Ausrutscher, der ihm beinahe einen Strich durch seine sorgfältig aufgestellte Rechnung gemacht hatte. »Deine eigene Überheblichkeit ist dein größter Feind«, hatte ihn der Waffenmeister auf Katzenstein, von dem er das Kriegshandwerk gelernt hatte, immer und immer wieder gescholten. Beinahe vermeinte er, die Stimme des Alten zu hören. »Selbstsicherheit hat schon so manchen Recken zu Fall gebracht, merke dir das gut!« Um sicherzugehen, dass Johann diese Lektion nicht so schnell vergaß, hatte er immer wieder versucht, sie ihm einzuprügeln. Aber offenbar ohne Erfolg! Johann pfiff seinen Knecht herbei und befahl ihm, einen Eimer Wasser für sein Streitross und einen Becher Wein für ihn selbst herbeizuschaffen. Dann sprang er aus dem Sattel und befreite sich von seinem Helm, unter dem sein Kopf zu kochen schien. »Wie ein unerfahrener Heißsporn!«, schalt er sich selbst und fuhr sich mit der Hand über den schweißnassen Schädel.
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Ulrich von Helfenstein wusste nicht, ob er froh darüber sein sollte, nicht bereits im Kolbenturnier ausgeschieden zu sein.
Der Verlust des mittelmäßigen Pferdes, auf dem er gefochten hatte, wäre verschmerzbar gewesen – auf keinen Fall konnte er das wahnwitzige Lösegeld von 300 Gulden aufbringen! Nun zwang ihn das Stechen dazu, nicht nur eine andere Rüstung
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