Der Teufelsfürst
von Feuer durch die Ritzen ihres Fensterrahmens.
Und sie fragte sich, wie lange es noch dauern konnte, bis der Palas genauso lichterloh brannte wie der Teil der Stallungen, der inzwischen eingefallen war. Obgleich sie eigentlich Todesangst hätte haben müssen, war ihr der Ausgang der Fehde seltsam gleichgültig. Ob sie durch die Hand eines Feindes oder durch die dunklen Kräfte ihrer Großmutter starb, schien unwichtig. Solange man ihr nicht verbot, regelmäßig ihren Beichtvater zu sehen, würde sie dem, was das Schicksal für sie bestimmt hatte, mit Ergebenheit entgegensehen. Ihre Gedanken schweiften zu Utz ab. Sie nahm an, dass Helwig ihn nach wie vor in seiner Kammer gefangen hielt. Und auch wenn immer noch Scham und Abscheu in ihr brannten wegen dem, wozu sie in der Hochzeitsnacht gezwungen worden waren, tat er ihr leid. Schließlich war er genauso ein Opfer von Helwigs Machenschaften wie sie selbst.
Ein Schrei, der eindeutig aus der Halle kam, ließ sie die Gedanken an Utz vergessen. Dem Schrei folgte ein Aufruhr im Hof. Gegen ihren Willen neugierig, kämpfte sich Sophia erneut auf die Beine. Mit gerunzelter Stirn trat sie an eines der kleinen Fenster und lugte hinab. Dort, tief unter ihr, erklomm ihr Vater soeben mit hochrotem Kopf den Wehrgang, um einen weißen Stofffetzen über die Zinnen zu werfen. Er brüllte einem der Knechte etwas zu. Wenig später erschien dieser ebenfalls mit einem weißen Tuch, mit dem er in Richtung Bergfried verschwand. Was das zu bedeuten hatte, war Sophia klar. Ihr Vater kapitulierte! Obwohl sie sich noch vor wenigen Minuten einzureden versucht hatte, dass es ihr egal war, durch wessen Hand sie starb, breiteten sich Furcht und Aufregung in ihr aus. Was würde geschehen, wenn ihr Vater den Befehl gab, die Zugbrücke herabzulassen? Würden die Belagerer sie verschonen oder jeden einzelnen Burgbewohner töten? Sie presste die Hände auf ihren Bauch, da sie plötzlich auch um das Leben ihres Kindes fürchtete. Konnte sie sich noch verstecken? Würde man sie finden, wenn sie sich im Angstloch verbarg? Sie sah sich in ihrer Kammer um wie ein gehetztes Tier. Bevor sich ihre Furcht in kopflose Panik verwandeln konnte, vernahm sie die Stimme ihres Vaters im Gang. Kurz darauf erklang das metallene Geräusch eines Riegels. »Keine falsche Bewegung«, hörte sie Johann von Katzenstein drohen.
»Ihr tut genau, was ich sage!« Kurz darauf näherten sich Schritte ihrer Tür und sie riss erschrocken die Augen auf, als ihr Gemahl über die Schwelle stolperte. Dicht hinter ihm betrat ihr Vater den Raum – das Schwert drohend erhoben, die Miene steinern. »Ihr werdet mit ihnen reden«, forderte Johann von Katzenstein und schob Utz auf Sophia zu. »Und Ihr werdet ihnen das Versprechen abnehmen, ihr kein Haar zu krümmen!« Utz, dem die Monate der Gefangenschaft deutlich anzusehen waren, nickte stumm und wich Sophias Blick aus. »Dann kommt. Und keine Dummheiten oder Ihr werdet den Tag bereuen, an dem Ihr geboren wurdet!«
Kapitel 65
Edirne, Sultanspalast, Juli 1448
Fast ein halbes Jahr war verstrichen, seit Vlad zum Pascha ernannt worden war. Inzwischen konnte er es kaum mehr erwarten, gegen seine Feinde zu ziehen. Jeden Tag nahm der Drang zu, seine Heimat von dem falschen Woiwoden zu befreien. Er hatte das Gefühl zu platzen, wenn nicht bald etwas geschah. Zwar wurden seit Neuestem wieder Schaukämpfe im Palast abgehalten, um die Besten unter den Reitern zu ermitteln, aber diese Turniere sorgten bestenfalls vorübergehend für Ablenkung. Seit die angenehmen Frühlingstemperaturen der erbarmungslosen Hitze des Sommers gewichen waren, fiel es Vlad schwer, Schlaf zu finden. Und oft fühlte er sich wie gerädert. Da er seit dem Tod seines Vaters nicht nur ein freier Mann, sondern einer der hochrangigsten Offiziere bei Hof war, nahm er häufig an Banketten teil und aß zu viel. Auch hatte ihn vor einiger Zeit einer der anderen Kommandanten dazu überredet, mit Zimt und Honig gesüßten Wein zu trinken. Seitdem erlag Vlad öfter, als ihm lieb war, der Versuchung, sich in die Arme eines Rausches zu flüchten. Eigentlich war ihm klar, dass die ungewohnte Völlerei der Grund für seine Abgeschlagenheit war. Aber mit irgendetwas musste er das Loch stopfen, das immer noch in seinem Herzen klaffte.
Auf dem Weg zu den Stallungen rieb er sich die Schläfen und nahm sich wieder einmal vor, sich in Zukunft in Enthaltsamkeit zu üben. Wenn er so weitermachte, würde er es irgendwann bereuen!
Während er
Weitere Kostenlose Bücher