Der Teufelskeiler
drinsteckte. Wenn er nicht auf der Stelle tot war, war es das Beste, man rollte sich unter dem Schild zusammen und hielt ihn fest. Wenn irgendein
Teil des Jägers hervorschaute, standen die Chancen nicht schlecht, dass er ohne dieses Teil nach Hause kam, denn so leicht starb ein Löwe nicht. Wenn der Bursche Glück hatte, bekam er vielleicht den Spitznamen Krüppel, Narbe oder Einhand. Wenn er nicht so viel Glück hatte, wurde an diesem Nachmittag so was wie ein Gedenkgottesdienst abgehalten. Zumindest hat Onkel Pharao das so erzählt, und ich habe keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln.
Es war auch Onkel Pharao gewesen, der Abraham beigebracht hatte, wie man einen Speer macht. Er war knapp zwei Meter fünfzig lang und aus Hickoryholz, um die Mitte war getrocknetes Schweinsleder gewickelt, und die Spitze bestand aus einem sechzig Zentimeter langen zugefeilten Zuckerrohrmesser. Er war fest, aber biegsam. Wenn uns ein Löwe draußen im Wald im Genick sitzen würde, wäre so ein Speer vermutlich gerade das Richtige. Aber da bei uns nicht viel Bedarf für so was bestand, hatte er seinen Ehrenplatz an einer Wand im Baumhaus. Den dazugehörigen Schild bastelte Abraham gerade aus Weidenästen und gebogenen Eichenleisten, das Ganze umspannt mit Schweinsleder. Sobald er fertig sein würde, käme er hinter den Speer an die Wand.
Aber an jenem Tag lief Roger in den Wald, um das zu tun, was Hunde eben so tun, und Abraham und ich kletterten zum Baumhaus hinauf. Ich stellte meine .22er in eine Ecke, dann zogen wir uns aus und gingen schwimmen. Wir hechteten von der Veranda und kletterten am Seil wieder hoch. Immer und immer wieder. Wir hatten mehr Spaß, als die Polizei erlaubt.
Als wir nicht mehr konnten, kletterten wir wieder hoch und zogen uns an. Ich holte die Magazine und gab sie
Abraham. Lesen konnte er nicht ein Wort, aber allein die Titelbilder erzählten schon Millionen von Geschichten. Ich glaube, solche Magazine sah er zum ersten Mal. Er und seine Familie kamen nicht oft in die Stadt. Dort bekamen sie immer zu spüren, dass sie anders waren, zumindest in den Augen der Stadtmenschen. Und Leute, die in den Auwäldern ohne Weiteres mit ihnen sprachen, erwarteten in der Stadt, dass sie vom Bürgersteig runtergingen.
»Wo hast du die denn her?«, fragte Abraham.
»Von Papa.« Und ich erzählte ihm von dem Ringkampf, den Papa gewonnen hatte. Ich erzählte die Geschichte so gut, man hätte glauben können, ich sei selbst dabei gewesen.
»Die sehen anders aus als die anderen«, sagte Abraham.
»Ich hab ein paar von den Geschichten gelesen, und die sind auch anders als die anderen.«
»Liest du mir was vor?«
»Wird gemacht.« Nichts lieber als das. Laut vorzulesen, war etwas, das mir wirklich Spaß machte, auch wenn ich manchmal ein Wort überspringen musste, das ich nicht kannte.
Und Abraham machte Zuhören so viel Spaß wie mir das Vorlesen.
»Wie heißen die Dinger denn?«, wollte Abraham wissen.
Ich hielt sie hoch, eins nach dem anderen, und fuhr mit dem Finger die Titel nach. Doc Savage, der Bronzemann, gefiel ihm am besten. Das war auch mein Lieblingstitelbild. Darauf war ein großer, goldfarbener Kerl zu sehen, der seltsame Augen und massenhaft Muskeln hatte und ein Hemd trug, das so zerfetzt war, dass es sich nicht mehr lohnte, es zu flicken oder einen Putzlumpen draus zu machen - eigentlich gehörte es weggeschmissen. Er hatte eine kleine, schwarze Puppe in der Hand, und drei Typen in merkwürdigen Klamotten hatten sich hinter einem Pfosten versteckt und beobachteten ihn. Allzu glücklich sahen sie dabei nicht aus.
»Lies mir eine Geschichte über diesen schimmernden Burschen vor«, sagte Abraham.
»In Ordnung, aber es ist eine lange Geschichte, und ich glaube kaum, dass ich heute damit fertig werde.«
»Dann mach's doch einfach so wie mit dieser anderen Geschichte und teil sie auf. Ich mag es, wenn ich mir selbst ausdenken kann, wie es weitergeht.«
Mir hatte das großen Spaß gemacht. Ich hatte drei Ausgaben von dieser Zeitschrift aus der Sonntagsschule mit einer Geschichte von vier Jungen, die in einer Höhle einem Schatz hinterherjagten. Jedes Mal, wenn Abraham und ich zusammen waren, habe ich einen Teil vorgelesen. Allerdings habe ich ihm nicht verraten, dass das Ende der Geschichte erst in der nächsten Ausgabe erscheinen sollte. Stattdessen habe ich einfach einen Schluss erfunden. Ich glaube, der Typ, der die Geschichte geschrieben hat, hätte es nicht besser machen können als ich. Abraham
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