Der Thron von Melengar: Riyria 1 (German Edition)
»Dürften sogar ein Dutzend gewesen sein.«
»Ist hier in der Stadt irgendwas im Gange?«, fragte Royce.
Sie sahen sich fragend an.
»Meinst du, es hat was mit den Geschichten von diesem Überfall am Nidwaldenfluss zu tun?«, fragte Hadrian. »Vielleicht fordert der König ja Truppen von anderen Edelleuten an.«
»Sprichst du von der Sache mit den Elben?«, fragte Mason. »Davon habe ich gehört.«
»Ich auch«, sagte Esmeralda. »Elben sollen ein Dorf überfallen und alle Bewohner abgeschlachtet haben – manche sogar im Schlaf.«
»Wer sagt das? Das klingt merkwürdig«, mischte sich Albert ein. »Ich habe noch nie gesehen, dass ein Elbe einem Menschen auch nur ins Gesicht schaut, geschweige denn einen angreift.«
Royce griff sich Stiefel und Mantel, ging zur Tür und begleitete seinen jähen Aufbruch mit den Worten: »Ihr habt überhaupt noch nie einen Elben gesehen, Albert.«
»Was habe ich denn jetzt wieder gesagt?«, fragte Albert und blickte unschuldig in die Runde.
Esmeralda zuckte die Achseln.
Hadrian zog den Geldbeutel, den Alenda ihnen gegeben hatte, heraus und warf ihn dem Vicomte zu. »Macht Euch keine Gedanken. Royce kann manchmal launisch sein. Da, teilt das Geld auf.«
»Aber Royce hat recht«, sagte Esmeralda, offenkundig befriedigt, weil sie etwas wusste, das die anderen nicht wussten. »Die, die das Dorf überfallen haben, waren richtige wilde Elben. Die Halbblutelben hier in der Gegend sind doch nur ein Haufen betrunkener Faulpelze.«
»Kein Wunder nach tausend Jahren Sklaverei«, warf Gwen ein. »Kann ich jetzt meinen Anteil haben, Albert? Ich muss wieder an die Arbeit. Wir haben heute Abend einen Bischof, den Gerichtsvorsitzenden und die Bruderschaft der Barone drüben im Haus.«
***
Hadrian fühlte sich immer noch zerschlagen von den Anstrengungen des Vortags, als er sich an einen freien Tisch in der Nähe des Schanktischs setzte und die Gäste in der Diamantstube inspizierte. Der Name kam von der seltsam verschobenen Vierecksform des Raums, die wiederum daher rührte, wie der Anbau dem freien Fleckchen am Ende der Schiefen Straße angepasst worden war. Hadrian kannte fast alle Anwesenden zumindest vom Sehen. Laternenanzünder, Kutscher, Kesselmacher, das übliche Völkchen, das nach der Arbeit auf ein warmes Essen hereinkam. Sie sahen alle gleich müde, abgearbeitet und dreckig aus, wie sie da über ihren Tellern saßen. Alle trugen sie grobe Arbeitskittel und unförmige Hosen, um die Taille zusammengeschnürt wie ein Sack. Sie bevorzugten diesen Raum, weil es hier ruhiger war und sie in Frieden essen konnten. Ein Gast jedoch stach hervor.
Er saß allein am anderen Ende der Gaststube an der Wand. Sein Tisch war leer bis auf die übliche Wirtshauskerze. Er hatte nichts zu essen oder zu trinken bestellt. Er trug einen Filzhut mit einseitig hochgeschlagener Krempe und einem üppigen blauen Federbusch. Sein Wams über dem leuchtendgoldenen, enganliegenden Satinhemd war aus kostbarem schwarz-rotem Brokat und an den Schultern gepolstert. An seinem eleganten, nietenbeschlagenen Gürtel, der im Leder zu den hohen schwarzen Reitstiefeln passte, hing ein Säbel. Wer er auch war, er versteckte sich nicht. Hadrian bemerkte,dass unter dem Tisch ein Bündel lag, auf das der Mann die ganze Zeit über einen Fuß gesetzt hielt.
Sobald Royce Esmeralda mit der Botschaft zu ihm geschickt hatte, dass auf der Straße keine Begleiter zu sehen waren, stand Hadrian auf, ging durch die Gaststube und blieb hinter dem freien Stuhl am Tisch des Fremden stehen.
»Wäre Euch etwas Gesellschaft willkommen?«, fragte er.
»Kommt drauf an«, entgegnete der Mann, und Hadrian registrierte den leicht arrogant klingenden Akzent eines gebürtigen Caliers. »Ich erwarte einen Vertreter einer Organisation namens Riyria. Sprecht Ihr für diese Vereinigung?«
»Kommt drauf an, was Ihr wollt«, erwiderte Hadrian mit einem leisen Grinsen.
»In diesem Fall setzt Euch doch bitte.«
Hadrian setzte sich und wartete ab.
»Ich bin Baron Delano DeWitt und suche talentierte Männer für einen Auftrag. Man hat mir gesagt, es gäbe hier in der Gegend Leute, die für ein entsprechendes Entgelt zu haben seien.«
»Welche Art Talent sucht Ihr denn?«
»Beschaffungstalent«, sagte DeWitt knapp. »Es gibt da einen Gegenstand, den ich verschwinden lassen muss. Wenn irgend möglich, hätte ich gern, dass er ganz und gar verschwindet. Aber es muss noch heute Nacht geschehen.«
Hadrian lächelte. »Tut mir leid, aber ich bin mir
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