Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
Leichen mehrerer Mordopfer gestohlen. Beim ersten Mal haben sie nach denen gesucht.«
    Der Professor sah Shan ausdruckslos an. Er wusste von den Morden. Shan schaute zurück zu den grauen Fahrzeugen auf der Straße und nahm dann wieder den Raum in Augenschein. »Die Bewaffnete Volkspolizei hat nach Toten gesucht«, sagte er. »Diese Kriecher hingegen nach einer lebenden Person.«
    Der Professor sagte nichts, sondern runzelte nur die Stirn, öffnete die Tür und bedeutete Shan, er möge sein Haus verlassen.

KAPITEL SECHS
    Auf dem Weg zu seinem Wagen blickte Shan besorgt hinauf in die Berge. Am Abend zuvor war Lokesh nicht bei dem kleinen Haus in den Hügeln gewesen, in dem sie sich beide einquartiert hatten. Er müsste inzwischen eigentlich zurück sein. War sein alter Freund bei den Leichenzerlegern geblieben, um weitere Zeremonien für den toten Lama abzuhalten? Oder hielt er sich womöglich bei Jamyangs Schrein auf, der durch den Selbstmord besudelt worden war, und reinigte ihn? Shan betete, dass er bei den Leichenzerlegern geblieben war. Das obere Tal quoll fast über von Polizei. Meng hatte berichtet, dass Liang bereits Patrouillen in die Hochtäler schickte. Bei Tagesanbruch waren abermals die langen Gebetshörner erklungen, als wollten sie die Suchtrupps verhöhnen. Die wiederum würden ihr Suchgebiet immer mehr erweitern. Der sanftmütige alte Tibeter wäre wie Frischfleisch, das diesen gierigen Hunden zum Fraß vorgeworfen wurde.
    Ganz in Gedanken versunken, öffnete Shan die Wagentür und setzte sich ans Steuer. Er merkte gar nicht, dass jemand neben ihm saß, bis die tätowierte Hand ihn am Arm packte.
    »Wir unternehmen eine kleine Spritztour«, knurrte der Fremde. Ein langes Springmesser erschien in seiner anderen Hand. Er hielt es nicht für nötig, die Klinge auszuklappen. »Du machst genau, was ich sage, alter Mao. Keine Fragen.«
    Alter Mao. Das war der Jargon der chinesischen Städte, ein Ausdruck der Straßenbanden für graue Anzugträger.
    Shan sah den Fremden an. Er war noch fast ein Halbwüchsiger, nicht viel jünger als sein eigener Sohn, der einst eine Straßenbande angeführt hatte. Shan hatte ihn schon mal gesehen, mit einem Sack Reis auf der Schulter. »Falls du deinen Ärmel hochziehen würdest, würde ich dann einen schwarzen Vogel sehen?«, fragte Shan im Plauderton.
    Der Fremde schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Das war Antwort genug. Shan schüttelte den Schmerz ab und ließ den Motor an.
    Der alte Bauernhof war schon vor Jahren aufgegeben worden, wie so viele andere hier in der Gegend. Er zählte zu den Opfern der ersten Kampagnen gegen die Landbesitzer, kurz nach dem Eintreffen der chinesischen Armee. Die Äcker waren von Sträuchern und kleinen Bäumen überwuchert, und Unkraut wuchs auf dem Dach des steinernen Stallgebäudes, das am anderen Ende der ehemaligen Weide oberhalb des Hauses stand. Ein kleiner Getreidespeicher war teilweise demontiert worden. An einer Seite des Hauses hatte man auf Pfählen ein hohes Dach errichtet, unter dem die Führerhäuser zweier schwerer Lastwagen parkten. Als Shan anhielt, blickte ein Mann mit ölverschmiertem Gesicht unter einer geöffneten Motorhaube hervor.
    Das Haus war im traditionellen Stil errichtet, mit einem Stall im Erdgeschoss und Quartieren für die Bewohner im ersten Stock. Auch hier schien schon seit Jahren niemand mehr Hand angelegt zu haben. Die Fenster waren gesprungen, und die aufgemalte Schutzgottheit am Eingang war so verblasst, dass man sie beinahe nicht mehr erkennen konnte. Doch im Innern reflektierten frisch getünchte Wände das Licht mehrerer hängender Laternen.
    Zwei chinesische Jugendliche am Ende der Kammer blicktenauf, als Shan in Richtung der Treppe gestoßen wurde. Einer, mit einer Zigarette zwischen den Lippen, hielt ein Messer in der Hand, der andere zog soeben eines aus der Wand. Als Ziel hatten sie sich ein altes thangka aufgehängt, das Stoffgemälde einer der heiligen weiblichen dakinis , gehalten in vornehmen Blau- und Goldtönen. Die Gottheit hing mittlerweile in Fetzen. Die jungen Männer hatten mit den Messern auf ihren Kopf gezielt. Einen Moment lang vergaß Shan alles andere, während er ungläubig das Gemälde anstarrte. Er musste gegen den Drang ankämpfen, vorzuspringen und es von der Wand zu reißen. Lokesh hätte sich schützend vor die dakini gestellt.
    Einer der Jugendlichen bemerkte Shans Miene und grinste ihn höhnisch an. » Cao ni ma !« Fick deine Mutter .
    Sein Begleiter schob ihn

Weitere Kostenlose Bücher