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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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war unsere Stärke und hat uns Selbstvertrauen eingeflößt. Er hat immer zu uns gesagt, die Chinesen seien bloß Besucher in unserem Land und dass wir das wahre Volk seien, genau wie die Yaks und die Schafe die wahren Tiere der Changtang sind. Aber er hat zu oft vor Karawanen und anderen Reisenden gesprochen. Eines Tages sind sie gekommen und haben ihn in ein Befriedungslager gebracht, so wie das auf der anderen Seite des Berges. Anfangs hat er uns noch geschrieben, es ginge ihm gut und er würde in ein paar Monaten wieder bei uns sein. Dann hörten die Briefe auf. Seine Mutter war blind; wir haben ihr erzählt, es kämen immer noch Briefe, und ihr sogar vermeintlich daraus vorgelesen. Es hätte dem Alten das Herz gebrochen, die Wahrheit zu erfahren. Zwei Jahre später hat sein Neffe ihn als Bettler in irgendeiner Stadt gesehen.« Jigten schaute wieder zu seiner Mutter. »Er konnte kaum noch laufen. Sie hatten ihm die Füße gebrochen. Und sie hatten etwas in seinem Kopf zerbrochen. Er kannte keine Lieder mehr, nur die Parteihymnen, die er leise anstatt eines Mantras vor sich hin gesungen hat. Er hat nicht mehr gelacht, und das Licht in seinen Augen war verloschen.«
    In der Stille, die folgte, registrierte Shan, dass das gleichmäßige Atmen aus Richtung des Bettes aufgehört hatte. Die alte Frau hatte sich die Decke über den Kopf gezogen, aber Shan konnte ihre offenen, tief liegenden Augen sehen, die ihn und Jigten entsetzt anstarrten. Sie hatte mitgehört.
    »Du wirst dort keine Freunde mehr haben«, sagte Jigten mit seltsam heiserer Stimme. »Es gibt sie nicht mehr. Dort gehen Menschen hinein, und leere Hüllen kommen heraus.«
    * * *
    Die Sonne stand tief am Himmel, als Shan aus dem hohen Gras aufstand, von wo aus er das Gelände der Jadekrähen beobachtet hatte. Es waren nirgendwo Wachposten zu sehen. Die großen Lastwagen waren weg. Jigten hatte ihm erklärt, sie würden zweimal pro Woche eine lange Transportfahrt absolvieren, entweder zur südlichen Grenze oder die nördliche Straße nach Chamdo hinauf, Tibets drittgrößte Stadt, und bisweilen sogar noch weiter, in die Provinz Sichuan, um Vorräte für die Lager abzuholen. Nun schien hier kaum noch jemand zu sein, abgesehen von der einsamen Gestalt, die zu dem baufälligen Stall auf dem Hang über dem Haus hinaufgestiegen war. Shan warf einen langen, besorgten Blick in die Richtung von Lokeshs neuem Gefängnis, murmelte dann ein Gebet und fing an, den Hügel zu erklimmen.
    Das kleine Gebäude hatte keine Tür. Shan sah dem Mann an dem Altar aus Brettern und Steinen eine Weile zu, zog dann ein Weihrauchstäbchen aus der Tasche und riss ein Streichholz an der Wand an.
    Lung Tso wirbelte herum, und sein Blick flammte ebenso auf wie das Streichholz. »Du hast ganz schön Mumm, dich hier blicken zu lassen, alter Mao«, sagte er. Seine Hand näherte sich dem Dolch, den er, wie Shan wusste, in seinem Stiefel trug.
    »Ich bringe Weihrauch, um deine Götter zu ehren.«
    Die Worte durchdrangen Lungs Zorn. Er schaute zurück zu dem Altar und schien unentschlossen zu sein, wie er reagieren sollte. Auf einer Seite des Altars stand eine schlichte Buddhastatue aus Sandelholz, auf der anderen ein beleibter, verzierter Buddha der tropischen Regionen. Außerdem gab es dort zwei dicke Kerzen, eine Butterlampe, ein Glas Wein und eine weiße khata , einen Gebetsschal. Ganz am Rand stand ein kleiner Spielzeuglastwagen, der in eine weitere khata gewickelt war.
    Shan klemmte sein Weihrauchstäbchen zwischen zwei Steine in der Wand über dem Altar und murmelte ein schnelles Mantra, bevor er sich dem neuen Anführer der Jadekrähen zuwandte. »Verrate mir etwas, Lung. Hat dein Bruder diesen Altar errichtet, bevor oder nachdem sein Sohn ums Leben gekommen ist?« Er rechnete halb damit, dass Lung den Dolch ziehen würde, doch dann sah er, dass der Mann nicht auf einen Kampf aus war.
    »Danach«, sagte Lung Tso mit Blick auf das glimmende Stäbchen. »Aber sogar da hat er es geheim gehalten. In der Nacht, in der wir den Leichnam seines Sohnes verbrannt haben, ist er nicht zurück ins Haus gekommen. Kurz vor Tagesanbruch habe ich ihn dann hier gefunden, wie er die kleinen Statuen aufgestellt hat.« Er drehte sich zu Shan um. »Als wir noch klein waren, hat unsere Mutter uns in den Tempel mitgenommen. Die Leute brachten kleine Dinge dorthin, zum Beispiel Abbilder von Häusern oder Geld, und haben sie verbrannt. Sollten wir etwas verbrennen?«
    »Das war ein Tempel der Taoisten«,

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