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Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lecale ERrol
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kaum noch kräftig genug für ein Flüstern. »Großer Gott, sie umzingeln Sie. Nie hab’ ich so etwas gesehen…«
    Die Angst vor Schlangen steckt in jedem Tier und erst recht im Menschen. Vielleicht reicht die Rassenerinnerung zurück zu der Zeit, als der Mensch eine winzige hilflose Kreatur und Beute der gewaltigen Schlangen war, so wie jetzt der Affe in den Bäumen Opfer der Würgeschlangen ist.
    Allein die Art ihrer Nahrungsaufnahme ist für den Menschen abstoßend und grauenerregend. Denn nur sie unter allen Kreaturen verschlingt ihre Beute im Ganzen, unzerkaut und gewöhnlich sogar noch lebend. Ihr elastischer Körper dehnt sich und nimmt ihren Fang auf, auch wenn er größer ist als sie selbst.
    Eli entsann sich, daß man ihm als Kind einmal erlaubte, der Fütterung der Riesenschlangen im Londoner Zoo zuzusehen. Er hatte einen Schreikrampf bekommen, der erst verging, als er wieder zu Hause war. Eine Python hatte ein zitterndes Kaninchen halbverschlungen und die Augen des bedauernswerten, noch lebenden Opfers blickten anklagend auf die Zuschauer.
    Später hatte er erfahren, daß die Hasen immer erst getötet wurden, ehe man sie den Schlangen zum Fraß vorwarf. Doch ein Wärter wollte einem Freund zeigen, wie die Schlangen in der freien Natur mit ihrer Beute umgingen. Das hatte ihn seinen Job gekostet.
    Aber die Erinnerung an das arme Kaninchen, das angstvoll in einer Ecke des Vivariums kauerte, während die Schlange langsam näher glitt, war noch so lebendig wie damals. Das Kaninchen hatte gewimmert und sich gegen die Wand gedrückt, und dann hatte die Schlange den Kopf vorgeschnellt und ihre Beute an den Hinterläufen gefaßt.
    Das Kaninchen hatte gar nicht versucht zu fliehen. Nicht, weil es wußte, daß es kein Entkommen gab, sondern weil die Angst vor der Schlange es lähmte.
    Und nicht besser erging es Eli. Er stand wie festgefroren in der Mitte der ihn umringenden Schlangen. Sie würden, ja konnten ihn gar nicht verschlingen. Nicht einmal die elastische Haut einer zwei Meter langen Kobra konnte einen Mann von eins achtzig aufnehmen. Sie sahen ihn auch nicht als Nahrung an. Etwas anderes als der Trieb nach Beute schien sie zu bewegen.
    Mäuse, Ratten, kleine Vögel, ja sogar Insekten dienen der Kobra als Futter, obgleich ihr Gift auf jedes Säugetier tödlich wirkt. Ein winziger Biß, und schon eine halbe Stunde später wäre das schreckliche Ende Eli Podgrams gekommen. Und hier würde es nicht nur bei einem Biß bleiben.
    Die eigenartige Aggressivität der Schlangen war unnatürlich. Normalerweise genügte die Vibration eines Schrittes, um die Schlangen zu vertreiben. Die Kobra stößt nur zu, wenn man versehentlich auf sie tritt oder wenn sie sich sonst bedroht fühlt.
    Und doch machten sich nun alle bereit, zuzustoßen.
    Die Hüter dieser Tempelruine waren offenbar keine gewöhnlichen Schlangen. Eine übernatürliche Intelligenz trieb sie, eine Macht fast jenseits menschlicher Vorstellung.
    »Ich – ich kann nicht schießen«, stöhne Grant. »Sie sind zu nahe. Ich könnte Sie treffen.«
    Der Altar war nur wenige Schritte entfernt. Der Teil von Elis Gehirn, der nicht angstgelähmt war, schätzte die Möglichkeit eines Sprungs auf den Altar ab. Seine Seiten waren glatt, zu glatt, als daß eine Schlange sie hätte überwinden können.
    Aber wie konnte er mit Mara in den Armen einen solchen Sprung wagen? Wie konnte er ihr verständlich machen, daß sie springen mußten? Ungebeten drängte sich das Bild der zustoßenden Schlangen vor sein Auge, das Bild der spitzen Giftzähne, die sich in das weiche Fleisch des Mädchens bohrten, das gelbe Gift, das sich mit ihrem Blut vermischte.
    Seine lähmende Angst hatte ihn seinen Griff um Mara lockern lassen. Er bemerkte es kaum, als sie sich sanft befreite.
    »Nein!« stöhnte Grant. »O Gott -nein…«
    Mara bewegte sich unendlich langsam auf dienächste Schlange zu. Der schreckliche Bann der starren Augen zog sie in ihr Verderben.
    Sie beugte sich, als wolle sie dem Reptil ihre Kehle darbieten, die Hauptschlagader, wo das Gift den sofortigen Tod bewirken mußte.
    Dann drang aus ihrem Mund der eigenartigste Laut, den Eli je vernommen hatte. Es war nicht gerade ein Pfeifen, auch kein Zischen wie das der Schlangen. Ein Ton, der in der Mitte lag, so hoch, daß er für das menschliche Ohr kaum noch zu hören war.
    Und ihre Hände vollführten seltsame Bewegungen über dem Kopf der Schlange.
    Der Schlangenkörper war nun fest zusammengerollt, der Kopf zum sofortigen

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