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Der Tigermann

Der Tigermann

Titel: Der Tigermann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lecale ERrol
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stellen Sie sich den Fall vor – er ist wirklich passiert –, daß ein junger Wolf von einem Adler geschnappt wird. Die Wolfmutter wird auf direktem Weg zum Adlerhorst eilen, mag er auch Hunderte von Meilen entfernt liegen und der Adler selbst sich weit außerhalb ihres Sichtbereichs befinden.
    Denken Sie an die Lachse, die über fünftausend Meilen pfadlosen Ozean zum Fluß ihrer Geburt zurückkehren. Denken Sie an die Dejavu-Erlebnisse vieler Menschen, die an einen fremden Ort kommen und doch das Gefühl haben, schon dort gewesen zu sein, und die genau wissen, was hinter der nächsten Ecke liegt.
    Oder denken Sie an das verbreiteste dieser Phänomene, wenn zwei oder auch mehr Menschen gleichzeitig, ohne vorher auch nur daran gedacht zu haben, denselben Satz oder dieselbe Phrase sagen.
    Es gibt eine Sphäre jenseits des Bewußtseins, in der jedes vernunftbegabte Wesen die Kraft hat, sich mitzuteilen. Je fortgeschrittener die Zivilisation, je weiter entwickelt der Verstand, desto schwieriger ist diese Sphäre zu erreichen. Im Joga lassen sich die höheren Ebenen nur von den von ihrer Umwelt abgeschlossenen Eremiten erreichen, die durch keine physischen Einflüsse mehr gestört werden können.
    Durch ihre Taubstummheit ist Mara eine Art Eremit. Sie kann die Welt nur durch ihre Augen aufnehmen – und durch die unerklärliche Empfänglichkeit für Gedankenwellen, wie wir alle sie ausstrahlen.
    Während wir in den Tempelruinen waren, das ist jedenfalls meine Meinung, war ihr Geist in völligem Einklang mit dem der Schlangen. Ihre Verständigungssphären berührten sich, und sie konnten sich einander mitteilen. Was sie sprachen, weiß ich nicht. Ich glaube auch nicht, daß ihr Gespräch mit Worten wiederzugeben ist. Es dürften mehr Empfindungen als konkrete Gedanken sein. ,Bist du Futter?’ war vielleicht die Frage. Und ,Ich bin euer Freund’ die Antwort ,Bitte geht weg.’»
    Eli schüttelte unwillig über sich selbst den Kopf. »Ich fürchte, ich erkläre das nicht besonders gut. Aber es ist ja auch nur eine Annahme. Wie könnte ich sicher sein? Doch in Gebieten wie diesem ist man ganz einfach von Vermutungen abhängig.«
    Ein nachdenkliches Schweigen senkte sich über die kleine Gruppe in dem so westlich wirkenden Salon.Schließlich brach Eli die Stille. »Das Erlebnis in der Tempelruine wird sich also nie mit Sicherheit erklären lassen. Aber es beweist hoffentlich, daß wir den esoterischen Kräften der Kali-Priester nicht hilflos ausgeliefert sind. Doch nun zu etwas Greifbarerem.«
    Aus seiner Jackentasche holte er eine Karte von Terrahpur, und zwar in kleinem Maßstab; sowohl die Stadt als auch die weitere Umgebung waren verzeichnet.
    »Auf dieser Karte habe ich die Orte und Daten jedes möglicherweise von dem Tigermann begangenen Mordes eingezeichnet.«
    »Möglicherweise?« erkundigte sich der Maharadscha.
    »Einige Morde gehen vielleicht nicht auf das Kontodes Wertigers. Manche sogar ganz sicher nicht.«
    Die anderen hielten den Atem an. Die Maharani blickte ihn gespannt an.
    »Ich muß jetzt Einzelheiten nennen«, murmelte Eli. »Und diese Einzelheiten sind so abscheulich, daß Eure Hoheit, die Maharani, sich vielleicht lieber vorher zurückziehen möchte.«
    Die Prinzessin schüttelte den Kopf, umklammerte aber die Hand ihres Gatten fester,
    »Meine Frau entstammt einer kriegerischen Familie«, erklärte der Maharadscha stolz. »Als der Gatte ihrer Urgroßmutter in einer Schlacht gegen die Franzosen fiel, übernahm sie das Kommando. Sie sammelte die Truppen und führte sie zum Sieg. Danach vertrieb sie auch noch die Engländer aus dem Staat.«
    Eli fragte sich, wie die verwitwete Prinzessin die Pflicht des Suttieh hatte umgehen können.
    »Erst als Terrahpur vor weiteren Angriffen sicher war, brachte sie ihren Gatten zu den Chats und schritt selbst ohne mit der Wimper zu zucken in die Flammen. Ich hasse Suttieh, Professor, aber es gibt Zeiten…«
    Eli nickte stumm und musterte insgeheim das feste Kinn der Prinzessin. Sie mochte vielleicht eine zarte orientalische Blume sein, aber das Blut ihrer Vorfahren floß in ihr. Auch sie würde unerschrocken in das Feuer steigen, wenn es notwendig war.
    »Als erstes«, begann er, »möchte ich auf die Tatorte hinweisen. Sie bilden einen ungefähren Ring um die Stadt. Jeder einzelne liegt ungefähr zehn Kilometer vom Zentrum entfernt; eine Strecke, die sich in der Dunkelheit leicht zu Fuß bewältigen läßt. Es ist daraus zu schließen, daß der Tigermann in der

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