Der Tigermann
Spurenleser heftig die Faust in den Rücken und gab ihm einen barschen Befehl. Obo machte jedoch keinerlei Anstalten, ihn zu befolgen.»Er weigert sich weiterzugehen«, erklärte Grant unnötigerweise. »Er hat vor irgend etwas Angst, sagt aber nicht, wovor. Ein Leopard ist es jedenfalls nicht, denn er fürchtet sich sonst vor den wildesten Tieren nicht.«
»Bitte fragen Sie ihn doch, wie frisch die Spur ist.«
»Minutenalt höchstens«, erwiderte Grant, nachdem er Obo befragt hatte. »Miß Mara kann nicht weit von hier sein.«
Winselnd wandte der Fährtenleser sich plötzlich um, schlängelte sich an seinem Herrn vorbei und eilte auf dem schmalen Seitenpfad zurück.
»Ich werde ihn auspeitschen«, wütete Grant. »Ich…«
»Wichtiger ist, daß wir unseren nächsten Schritt überlegen«, unterbrach ihn Eli. »Mit oder ohne Obo, wir müssen weiter.«
Der weiße Jäger nickte und fluchte herzhaft vor sich hin. Im Gänsemarsch zogen sie weiter. Nach ungefähr hundert Metern blieb Grant stehen und hielt den ihm folgenden Eli mit den Händen auf.
»Licht hinter den Büschen dort. Sehen Sie? Wir müssen nun ganz leise sein.«
Auf Zehenspitzen näherten sie sich der Lichtquelle, die von dichten Büschen fast verborgen wurde. Als sie nahe genug heran waren, sahen sie, daß der Lichtschein aus dem Innern einer Höhle drang.
Hinter Büschen verborgen, spähten sie hinein. Das Licht ging von einer Reihe von Öllampen aus, die auf schmalen Simsen standen. Über den Lampen, in einer große Nische, befand sich eine Kali-Statue, nicht ganz lebensgroß, aber durch irgendeinen Trick des Lichts wirkten ihre Züge abgrundtief bösartig, und es schien, als starre sie direkt auf den Höhleneingang, auf die versteckten Männer und tief in sie hinein, bis auf den Grund ihrer Seele. Nichts konnte diesem Basiliskenblick verborgen bleiben. Es fiel den Männern draußen schwer, sich daran zu erinnern, daß die Augen nur in Stein gehauen waren, daß sie kein eigenes Leben hatten.
Die überwältigende, bezwingende Gegenwart der Statue zog sie so in ihren Bann, daß es mehrere Sekunden dauerte, ehe sie überhaupt der Gestalten gewahr wurden, die vor ihr standen.
Mara befand sich zwischen zwei Männern, zwei Akolyten in schäbigen Gewändern, mit geschorenen Schädeln, die den Schein der Öllampen widerspiegelten.
Maras Rücken war gebeugt, ihre Schultern hingen ergeben nach vorn. Sie verhielt sich völlig ruhig, schien unter dem absoluten Einfluß der Macht zu stehen, die sie hierhergelockt hatte, welche Macht das auch immer sein mochte.
Grant wollte sich durch die Büsche zwängen, aber Eli hielt ihn zurück.
»Nein«, zischte er. »Unsere Gegner verfügen über unbekannte, teuflische Kräfte. Erst müssen wir mehr über deren Identität und Stärke wissen, ehe wir handeln dürfen. Alles könnte verloren sein, wenn wir zu früh eingreifen.«
Grant brummte unzufrieden vor sich hin, aber er blieb, wo er war. Hinter sich hörte Eli ein fast animalisches Knurren. Und der Grund für Hugos Laut war unübersehbar.
Die Priester begannen gerade Mara zu entkleiden. Einer öffnete die Spange ihres Saris am Hals, der andere die um ihre Taille. Der Sari fiel achtlos auf den schmutzigen Höhlenboden. Nun trug Mara nur noch ein weißes Unterkleid, das oberhalb der Knie endete.
Einer der Akolyten versuchte es ihr über den Kopf zu ziehen, aber es blieb unter den Armen hängen, die sie starr wie in katatonischer Trance hielt.
Ungeduldig holte der zweite ein kleines Messer aus seiner Robe und schlitzte das Unterkleid über die ganze Länge am Rücken auf, so daß es zu dem Sari auf den Boden rutschte.
Von ihren Sandalen abgesehen, stand Mara nunnackt und ergeben vor der Statue Kalis – die Unschuld gefangen von den Mächten des Bösen, die Schönheit in der Gewalt des Häßlichen.
»Aber jetzt!« stöhnte Grant. »Um Himmels willen, Podgram…«
»Nein. Noch nicht.«
Elis Geist versuchte immer noch, den des Mädchens zu erreichen, die dichten Schleier der Beeinflussung zu durchdringen, die jegliche telepathische Verbindung verhinderten, welche normalerweise zwischen den beiden bestand.
Daß sie sich unter besonders starker Hypnose befand, stand außer Zweifel. Es gab gar keine andere Erklärung. Aber wie war sie in diesen Trancezustand versetzt worden? Und von wem? Es mußten erst noch ein paar Fragen geklärt werden, ehe Eli handeln konnte. Denn die Kräfte, die Besitz von Mara ergriffen hatten, würden auch vor ihnen nicht
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